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Was brauchen Erwerbslose und arbeitende Arme für ein Gutes Leben ?

Mit Hartz IV entstand durch Sozialabbau, Zurichtung und Kontrolle Erwerbsloser ein breiter Niedriglohnsektor. Die Kluft in der Lebensqualität zwischen vielen vom Lohn
Abhängigen und Besserbetuchten ist krass. Das Lebensniveau vieler Menschen wurde brutal beschnitten.

Wir im Moabiter Westen sind in hohem Maße von Armut betroffen. Als arm gelten Menschen, die weniger als 60% des gesellschaftlichen Durchschnittseinkommens zur Verfügung haben. Hier sind auch Arbeitende und arme Selbständige betroffen. 19,4% der erwerbstätigen Menschen erhalten ergänzend Hartz IV. 52,7 % der Menschen unter 15 erhalten Grundsicherung. Jugend ist ein echtes Armutsrisiko, oder anders ausgedrückt: Die Löhne und Gehälter reichen kaum den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Hier vermute ich, dass es eine Dunkelziffer von Menschen gibt, die ihre Rechte bei den zuständigen Grundsicherungsämtern nicht wahrnehmen wollen, oder auf Grund ausländerrechtlicher Bestimmungen nicht wahrnehmen können. Insgesamt lässt sich sagen, das Armut wahrscheinlicher wird, wenn ein Mensch migriert oder ein Kind von Migranten ist. Inwieweit Bildung Armut verhindern kann wissen wir nicht. Es spricht einiges dafür, dass ein weibliches Geschlecht, Migration, Behinderung, Alter und Jugend stabile Armutsindikatoren sind. Arme im Bezug von Leistungen der Arbeitsagentur sind zudem einem empfindlichen Sanktionskatalog ausgesetzt. Reicht der Regelsatz Hartz IV eh kaum zum Essen, droht bei Sanktionen bereits die Mangelernährung mit allen gesundheitlichen Folgen. Das löst bei Erwerbslosen wie nicht Erwerbslosen in Moabit und anderswo Angst aus. Angst, die dazu führt, jede Arbeit anzunehmen, unabhängig vom Lohn oder der Ausbildung, um den Arbeitsplatz nicht zu gefährden, ohne Widerstand schlechte Arbeit zum Niedriglohn zu leisten. Das Quartiersmanagement Moabit – West beschreibt die Lage hingegen folgendermaßen:

http://www.quartiersmanagement-berlin.de/Moabit-West-Beusselstrasse.103.0.html

 

Die Situation, die das Quartiersmanagement beschreibt, ist ein Armutsproblem. Es fehlt schlicht das das Geld, vorhandene Angebote zu nutzen oder es fehlt das Grundwissen über kostenfreie Kultur und Bildungsangebote. Die Strukturen im Kiez selber sind im Kultur und Bildungsbereich nicht erfreulich. Die Kurt Tucholsky – Bibliothek verfügt nur in geringem Maße über Fachbücher. Auch literarische Bücher in den Heimatsprachen der Kiezbewohner sind kaum zu finden. Es gibt in Moabit-West kein Kino, kein Theater. Die einzigen Einrichtungen dieser Art befinden sich in der Lehrter Straße in der Kulturfabrik im Einzugsgebiet des Quartiersmanagement Moabit – Ost in der Nähe des Hauptbahnhof, also in einer geographischen Lage, die vor allem Touristen nutzt. Auch ein Freibad wird man in ganz Moabit nicht finden, aber die zahlungskräftigeren unter uns dürfen sich in der nächsten Freiluftsaison im Minigolf üben. Durch die unmittelbare Nähe des Regierungsviertels verändert sich auch die Wohn- und Mietpreissituation. Sanierungen und Wegfall der Mietpreisbindung haben zum Zuzug von Besserverdienenden und Studenten aus reichem Hause (Mietbürgschaften) geführt. Eine Umstrukturierung des Viertels ist mittel bis langfristig zu Lasten der armen Menschen im Kiez zu befürchten. Letztendlich ist es eine Frage der Politik wie wir leben. Lasst uns gemeinsam herausfinden wie wir leben wollen. (Text: Petra Leischen)

Was stellen wir uns unter einem Guten Leben vor ?

Das System der Angst soll durch ein selbstbestimmte Leben ersetzt werden. Ohne Hierarchien, Herrschaft, Unterdrückung,Ausbeutung, Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit, Ausgrenzung, Umweltzerstörung, Krieg, zweigeschlechtliche Heteronormierung.

Die Menschen wünschen sich Bewegungsfreiheit. Hartz-IV-Empfänger_innen sollen einen 30-tägigen Urlaubsanspruch bekommen. Sie wollen keine Residenzpflicht und sie wollen Urlaubsgeld. Der öffentliche Nahverkehr wird für die Nutzerinnen kostenfrei. Bis dahin soll das Sozialticket für 10 € wieder eingeführt werden. Öffentlicher Transport soll generell für alle Nutzer kostenfrei werden. Kultur und Bildung soll allen Menschen kostenfrei zur Verfügung stehen. Die gesundheitliche Versorgung wird für alle kostenfrei.

 

Erste Schritte: Abschaffung der Praxisgebühr, alle haben eine Krankenversicherung, Zahnersatz wird kostenfrei, auch Niedriglohnbezieher können zur Kur, kein Niedriglohn für Beschäftigte im Gesundheitssystem und in der Pflege, alle „Klapsmühlen“ werden aufgelöst, es gibt eine Bürgerversicherung, Alternativmedizin.

 

Weiterreichend: Vergesellschaftung der Pharmaindustrie und des Gesundheitssystems.

Selbstbestimmte Gesundheitsfürsorge, gegen massenmedizinische Versorgung, kleinere Einheiten, menschenwürdigere Versorgung - Vielfalt von Therapien, gegen das Dogma der Schulmedizin; Aufhebung der Trennung zwischen verschiedenen medizinischen Einrichtungen.

Kooperation von Schulen, andere Formen von Behandlungen als „organische Chemie“, (Wieder) Einführung von Polykliniken, Homöopathie als Versicherungsleistung.

Vorbeugende Maßnahmen werden kostenfrei für alle, ausgiebige Beratung und Gespräche mit den Ärzten, kostenlose Gutachten, keine Beurteilung nach Aktenlage, kostenloser Zugang: Sport, Bewegung, Schwimmbad, die Umweltbelastung durch Feinstaub durch autofreie Sonntage verringern, Wellness für alle

 

Ein gemeinschaftliches und selbstbestimmtes Leben, Subsistenz aufbauen, immer mehr Güter und Dienstleistungen aus dem Markt nehmen, Kiezküchen, Nähstuben, Werkstätten, Sport und Bewegungsräume, kreativ und Kulturräume; lebenslanges Lernen mit- und voneinander; gegenseitige Gratishilfe, - Produkte, - Dienstleistungen, Selbstermächtigung und Vernetzung und Austausch, Ausrichtung an den eigenen Bedürfnissen, alles barrierefrei.

 

Ein ausreichendes Einkommen für alle ohne Bedingungen (Zeit); Kommunikation, genügend Geld für gutes Wohnen, Kunst,Musik ,Wissenschaft,Theater,

Filme machen,patriarchalen Strukturen wird die ökonomische Basis entzogen,

Bewegungsfreiheit, Individuelle Lebenswege werden möglich, Pioniere für das „Neue“, Angstreduktion, Entschleunigung, Transformation,

Keine/r muss was sie nicht kann, Freiheit jederfrau, soviel zu arbeiten wie er/sie kann und will!

 

Was wird weltweit zum Guten Leben diskutiert ?

In Argentinien, Mexiko, Ecuador, Brasilien ebenso wie in Marokko und Namibia
oder Polen, Belgien, Spanien und der Schweiz wird das Gute Leben diskutiert. Den Auftakt gaben Initiativen in Chiapas (Mexiko) nach blutigem Polizeieinsatz gegen die Land- und Mieterbewegung. FeministInnen wissen, was zum Guten Leben gehört.

Nach Kurzreferaten zu den Debatten und Kämpfen in den jeweiligen Ländern wurden folgende Hauptaspekte diskutiert: Soziale Sicherheit, Bildung, Ausgleich der Interessen, kollektive Kulturautonomie, Selbstbestimmung, Selbstermächtigung, nicht marktfähige Kooperationen, ökologische Aspekte, Subsistenz, globaler (Erde) Zusammenhang, gute Nachbarschaft sozialer Projekte, kollektive Gewährleistung von Individualismus wurden in Lateinamerika und Afrika teilweise direkt umgesetzt und nicht nur diskutiert.

Wir haben aus den Erfahrungen der Menschen in Lateinamerika und Afrika gelernt,dass kollektive Aktionen jedem Individuum nutzen und starke Individuen, die kooperieren gut für kollektive Aktionen sind. Wir wünschen uns für uns Zeit zur gegenseitigen Verständigung und das die Sprachen der Herkunftsfamilien in der Schule unterrichtet werden (mehrheitlich, eine Person meinte, dies sei zu teuer).

Das BIG Basic Income Grant in Namibia

Namibia ist reich an ökonomischem und sozialem Potenzial, aber ein großer Teil der Bevölkerung ist arm. Die große sozioökonomische Ungleichheit ist eine Folge von Kolonialismus und Apartheid, aber auch eine Folge der Klassenspaltung, die nach der Unabhängigkeit in Namibia stattgefunden hat. In Namibia hat sich gezeigt, dass die alte Vermutung, dass Wirtschaftswachstum automatisch die Armut bekämpft, nicht zutrifft.         19 Jahre nach der Unabhängigkeit hat sich an der Armut eines großen Teils der Bevölkerung nichts geändert, darum muss nach neuen Wegen gesucht werden, die Armut zu bekämpfen. Der Grundeinkommenszuschlag BIT ist ein Mittel Armut zu bekämpfen. Es handelt sich um einen monatlichen, dauerhaften Zuschlag in Höhe von NS 100 Dollar, die durch den namibischen Staat an alle Bürgerinnen und Bürger gezahlt wird, ungeachtet des Einkommens oder des Alters. Das Geld, das an die nicht bedürftigen Bürger und Bürgerinnen ausgezahlt wird, holt sich der Staat via Einkommenssteuer zurück. Der wichtigste Vorteil dieses Zuschlages ist, dass hierdurch der Lebensstandard jedes Individuums verbessert wird, und damit Armut und Ungleichheit vermindert. Auch in Namibia ist diese Idee durchaus umstritten. Die lutherische Kirche in Namibia und Deutschland hat in Ojivero, einem Dorf mit 99 Einwohnern, von 2007 bis 2009 dieses GK von 100 namibischen Dollar ausgezahlt, von 2009 – 2011 zahlten sie 50 namibische Dollar. Dazu sagt ein Befreiungstheologe, Bischof Zephania Neemeta: „Gib den Armen direkt, nicht über die Taschen der Reichen.“ Die Einwohner von Ojiveera nutzten das Geld in der Mehrheit um ihre Lebenslagen zu verbessern, wovon gerade Frauen und Kinder profitiert haben. In Zeiten der Not sind es gerade Frauen und Kinder, die am unteren Ende der Verteilungskette stehen und in der Verteilung des Mangels am meisten leiden. (Es mag Ausnahmen geben.)

Die Wirkung des namibischen Experiments kann folgendes Beispiel verdeutlichen:          "Armut und Elend insgesamt konnten zurückgedrängt werden. War dieses Dorf seit der Unabhängigkeit ein Ort der Gestrandeten, in dem Alkoholismus und Prostitution mit allen gesundheitlichen Folgen zum Alltag gehörten, so hat sich die Lage mit dem BIG stark verbessert.

 

Die Ergebnisse des Pilotprojekts können sich sehen lassen. So wurde die Unterernährung von 42 Prozent auf zehn Prozent gesenkt, die Arbeitslosigkeit ging um 25 Prozent zurück, und die Kriminalität konnte fast halbiert werden. Der Schulabbrecherrate liegt inzwischen bei fast null, und die Zahl lokaler Geschäftsleute hat sich verdreifacht. "Eine armes verzweifeltes Dorf ist zu einem Ort geworden, in denen sich die Menschen Kleider kaufen und ihre Kinder zur Schule schicken können", freut sich der Vorsitzende der BIG-Koalition und Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Namibias (ELCRN),Zephania Kameeta.“(Quelle siehe oben)

BIG ist eine effektive Maßnahme, um eine gerechte Gesellschaft zu schaffen.“Der Krieg ist seit 1990 zu Ende, doch wie kann ein Mensch ohne Dach über dem Kopf, der in einem leeren Flussbett schlafen muss, Frieden finden? Wer eine solche Initiative nicht in Erwägung zieht, stellt sich selbst in ein armseliges Licht." so der Befreiungstheologe Bischof Kammeeta.

Das Experiment mit dem bedingungslosen Grundeinkommen in Namibia
Quelle: BIG – Flyer Afrikaans http://www.bignam.org/Publications/BIG_Flyer_afrikaans.pdf
(Text: Petra Leischen)