Einführung zum Thema Workfare
Vielfach ist zu beobachten, dass "aktivierende Arbeitsmarktpolitik" Arbeitsplätze zuweist, auf denen prekäre Beschäftigte, Hartz-IV-Aufstocker_innen, Menschen in Workfare schuften, ohne sich aus der Abhängigkeit der Behörden befreien zu können. Der Druck, Arbeitsverhältnisse einzugehen, die befristet, schlecht bezahlt und unsinnig sind, wird in der Bundesrepublik Deutschland mittels verschiedener Instrumente, u.a. durch Sanktionen durchgesetzt. Wir gehen davon aus, dass arbeitsmarktpolitische Instrumente in Europa zwar unterschiedlich sind, doch auch Gemeinsamkeiten aufweisen.
Der Maßnahmenkatalog im Umgang mit Erwerbslosen ist je nach Land unterschiedlich.
Auf diesen Seiten (siehe linke Spalte) möchten wir Euch die Entwicklungen und Umgangsweisen in den verschiedenen europäischen Staaten aufzeigen und einen langfristigen Vergleich ermöglichen.
Ein Dominostein fällt: Holland und Barret geben Workfare auf
Die Anti-Workfare Kampagne in Großbritannien hat einen bahnbrechenden Erfolg zu verzeichnen. Holland und Barret verkündeten den Ausstieg aus dem Workfare-Programm. Nach Bekanntgabe der Neuigkeiten twitterte das Syndikat der Solidarity Federation in Brighton: „wir haben eine wichtige Schlacht gegen Workfare gewonnen, doch der Krieg ist noch nicht vorbei“.
Die Meldung wurde rund 24 Stunden vor der nationalen Aktionswoche bekannt, die vom Boykott Workfare Netzwerk organisiert worden ist. Holland und Barret hatten das Workfare-Programm massiv unterstützt und wollte allein in diesem Jahr bis zu 1000 Menschen ohne Lohn beschäftigen. Und das bei einer Gesamtbelegschaft von 3500 Personen.
Doch seit ihrer Teilnahme an einer Konferenz des Arbeits- und Rentenministers Chris Grayling geriet das Unternehmen infolge regelmäßiger Proteste immer mehr ins Abseits der Öffentlichkeit. Die Menschen zeigten sich geschockt angesichts der Beteiligung des Unternehmens an dieser Maßnahme. Wütende Kunden überhäuften die Twitter und Facebook Accounts des Unternehmens mit Vorwürfen. Der unnachgiebige Druck hat nun zu einer Kehrtwende geführt. Spät in der Nacht erschien auf der offiziellen Facbook-Seite von Holland und Barret die Meldung, dass die 60 Personen, die momentan noch in dem sogenannten Programm für Arbeitserfahrung für acht Wochen tätig sind, die letzten sind, die daran teilnehmen werden. Danach zieht sich Holland und Barret aus Workfare zurück.
Stattdessen plant das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Job Center die unbezahlten Kräfte durch bezahlte Praktika zu ersetzen. Doch die Solidarity Federation wird die Lage bei Holland und Barret weiterhin im Auge behalten und jeden Täuschungsversuch mit neuen direkten Aktionen beantworten. Jetzt feiern sie aber erst einmal diesen Sieg gegen unbezahlte Arbeit. Als eine revolutionäre Gewerkschaftsinitiative von ArbeiterInnen und Erwerbslosen betrachtet die Solidarity Federation das Workfore-Prgamm als einen Angriff auf die ArbeiterInnen, welche die Löhne und Arbeitsbedingungen untergräbt. So erzählten die Angestellten von Holland und Barret, dass es seit der Einführung von Workfare keine Überstunden mehr gegeben hat, da die Tätigkeiten von unbezahlten ArbeiterInnen ausgeführt wurden.
Die Solidarity Federation wird nun die vom Boykott Workfare Netzwerk initiierte nationale Aktionswoche gegen Firmen unterstützen, die sich nach wie vor an diesem Programm beteiligen.
Solidarity Federation - Brighton Lokal (Workfare Arbeitsgruppe)
Quelle (mit weiterführenden Links zum Thema): http://www.fau.org/artikel/art_120708-204756/
http://internationalworkersassociation.blogspot.de/2012/02/die-logik-von-workfare.html
29.2.2012
Die Logik von Workfare
Workfare bedeutet den Zwang von Arbeitslosen zur unbezahlten Arbeit um überhaupt staatliche Zuwendungen zu erhalten.
Zehntausende Menschen werden in Großbritannien zur unbezahlten Arbeit gezwungen,
bekannte Unternehmen profitieren von der kostenlosen Arbeit und
behinderte Menschen müssen ohne Lohn arbei
ten, da sie sonst mit Kürzungen zu rechnen haben. Workfare wurde von der Labour-Partei im Rahmen des New Deal im Jahr 1998 eingeführt. Im Jahr 2009 wurde daraus der Flexible New Deal. Momentan weitet die konservativ-liberale Regierung das Gesetzeswerk aus. Darin enthalten sind Programme wie „Arbeitserfahrung“, „Freiwillige Arbeitsaktivität“, „kommunale Aktionsprogramme“, „Sektor basierte Arbeitsakademien“ und das „Arbeitsprogramm“.
Bei all diesen Modellen verlieren Arbeitslose ihr Recht auf Arbeitslosenunterstützung oder beispielsweise auf Wohnungszuschüsse, wenn sie sich weigern an den Programmen teilzunehmen. Workfare sollte eigentlich Arbeitslosen dabei helfen eine neue Stelle mit Hilfe von Trainingsprogrammen und Arbeitserfahrung zu finden. Aber das Ministerium für Arbeit und Renten hat nun in einem eigenen Report (PDF) festgestellt, dass Workfare nutzlos bei der Integration von Langzeitarbeitslose auf dem Arbeitsmarkt ist.
Es besteht wenig Grund zu der Annahme, dass Workfare die Chance auf Arbeit erhöht. Es kann die Wahrscheinlichkeit eine Arbeit zu finden sogar reduzieren, da den Arbeitssuchenden die Zeit zur Bewerbung fehlt und sie nicht die Erfahrungen und Fähigkeiten beigebracht bekommen, die von den Arbeitgebern eingefordert werden. Die von Workfare veranschlagten Ziele sind auf einem Arbeitsmarkt mit hohem Anteil an Arbeitslosigkeit ineffizient.
Entweder waren die Regierungen nach Labour einfach nur ziemlich blöd, indem sie Gelder in teure und ineffiziente Maßnahmen investierten, oder es geht gar nicht darum Arbeitssuchenden zu helfen oder neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Workfare ist ein Angriff auf uns alle
Workfare spart kein Geld, schafft keine Arbeitsplätze und hilft nicht den Arbeitslosen. Die Regierung versucht uns zu spalten, indem sie diejenigen mit Arbeit gegen die „Faulpelze“ aufhetzt, die zur Arbeit gezwungen werden müssen. Aber Workfare ist ein Angriff auf Beschäftigte und Unbeschäftigte. Welcher Arbeitgeber hat schon Lust ArbeiterInnen zu beschäftigen, wenn die Regierung ihnen welche für umsonst spendiert?
Das Ziel von Workfare ist es die Gehälter zu drücken.
Die ganze Angelegenheit ist für den Staat sehr teuer (der Flexible New Deal soll angeblich pro Arbeitsplatz 31.000£ investieren), von daher stellt dieser Deal nichts anderes als eine ungeheure staatliche Subvention für den privaten Sektor dar. Er versorgt die Unternehmen direkt mit billiger Arbeitskraft. Indirekt unterhöhlt er den Mindestlohn und diszipliniert diejenigen mit Arbei dazu nicht aus der Reihe zu tanzen, da sie sonst Gefahr laufen von den billigen Workfare-ArbeiterInnen ausgetauscht werden und selber arbeitslos werden. Egal ob wir beschäftigt oder unbeschäftigt sind, Workfare ist ein Angriff auf uns alle.
Quelle: www.solfed.org.uk
19. Juli 2011
Katzenjammer der Systemschmarotzer
Von Norbert HermannSchaut mensch sich die politischen und wissenschaftlichen Beiträge und Analysen zum Thema Arbeitslosigkeit aus den frühen 80er Jahren an (1) und vergleicht es mit dem Genöle der Sozialticket- und Bürgerarbeit-Befürworter_innen der Neuzeit, so fällt neben dem bemerkenswert abgesunkenen Niveau der aktuellen Diskussionen insbesondere die Flachheit der Analyse und daraus resultierender Forderungen ins Auge.
Aktuell startet eine Kampagne der Sozialklempnerei-Konzerne (2), die aus dem spätestens mit Hartz IV durchgesetzten Paradigmenwechsel („Keine Leistung ohne Gegenleistung“) Vorteile ziehen. Das wird zu Recht als „Systemschmarotzerei“ bezeichnet.
Sie schieben vor, sich für die Menschen einsetzen zu wollen, „alle mitnehmen“ zu wollen und „keinen zurückzulassen“ – und schieben doch alle ab in Ersatzbeschäftigungen – idR anspruchslos, schlecht angesehen, kaum bezahlt, aber Sozialticket.
Sie „wollen keine Zweiteilung des Arbeitsmarktes!“ und zementieren ihn dennoch, in dem sie für die „Überflüssigen“ eine Ausweitung der „öffentlich geförderten Beschäftigung“ fordern. Ihre Forderungen nach einem „arbeitsmarktpolitischen Kurswechsel!“ beinhalten bei genauerem Hinsehen die Forderung nach einem Beibehalten des Paradigmenwechsels.
Sie schieben „Weniger gut qualifizierte, ältere Arbeitslose, Menschen mit Behinderungen und chronisch Erkrankte“ vor, um alle für krank und therapiebedürftig zu erklären. „Wir brauchen passgenaue Hilfen und Perspektiven für jeden einzelnen.“ „Gerade seelisch behinderte Menschen haben in der Vergangenheit beispielsweise von der Förderung mittels Beschäftigungszuschuss profitieren können.“
Den meisten Erwerbslosen fehlt nichts als ein Arbeitsplatz, irgendeine Medikation oder Sozialbearbeitung ist gar nicht nötig. In Neusprech wird ihnen „Minderleistung“ unterstellt – das ist schäbigste Diskriminierung! „Freiwillig“ soll die Teilnahme an der Arbeitsbeschaffungsmassnahme sein – wie Ertrinkende hoffen nicht wenige auf diesen Strohhalm. Auch sollen „tarifpolitischer Standards“ eingehalten werden, allerdings ohne Mindestlohngebot und mit staatlicher Subventionierung der „Arbeitgeber“. Inzwischen wachen auch Gewerkschaften auf (insb. Ver.di und die IGM) und beginnen, sich zu wehren gegen diese systematische und zielstrebige Unterhöhlung von Arbeitnehmerpositionen.
Ursache der hohen Arbeitslosigkeit ist die neoliberale Gier nach zweistelligen Renditen und die Zuführung zusätzlicher Kräfte in den Arbeitsmarkt (s.u.). Ziel: eine weitere Zunahme der Subventionierung der Reichen durch die Armen (7).
Zum Schluss lassen sie die Katze aus dem Sack:
Es „brauchen die Leistungserbringer in der Arbeitsförderung (so etwa Beschäftigungsunternehmen, Träger der Fort- und Weiterbildung) rechtliche und finanzielle Sicherheit.“ Und die GRÜNEN fordern für ihre Klientel: „Sozialarbeiterische Betreuung ein fester Bestandteil“ und: „Der Einsatz erfolgt“ ... „sowohl privatwirtschaftlich wie gemeinwohlorientiert“ ... „in Wirtschaftsunternehmen und bei gemeinnützigen Trägern“ ...ohne „Begrenzung auf zusätzliche und gemeinnützige Arbeitsfelder“ (6).
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