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Elektronischer Rundbrief Nr. 22/2010, 11.10.2010
Herausgeber BAG-Prekäre Lebenslagen — www.bag-plesa.de
c/o Claudia Kratzsch
Pflugstr. 9, 10115 Berlin
Tel.: 030/283 12 56
bag-plesa(at)web.de
V.i.S.d.P.: Claudia Kratzsch, Berlin
Der Rundbrief kann abonniert werden unter:
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Herausgeber BAG-Prekäre Lebenslagen — www.bag-plesa.de

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Inhalt:

1. Vorwort: Einmischen

2. Aktionsvorschlag für Gruppen

3. Auftaktrede am 10.10.2010 in Oldenburg

4. Abschlussrede am 10.10. 2010 in Oldenburg

5. Kleines Presseecho

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1. Vorwort: Oldenburg hat uns Mut gemacht — wie geht es entschlossen und solidarisch weiter

Für jede und jeden Menschen der in und um Oldenburg herum beteiligt war, wurde das Erleben der Solidarität, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, zum greif- und fühlbaren Moment der Demonstration. Für alle die nicht dabei sein konnten, zwei der inhaltlich und politisch richtungsweisenden Reden der Demonstration in schriftlicher Form.

In der Abschlussrede heißt es:

„Und wir sind heute so viele hier, weil wir uns organisiert haben! Wir haben uns in unseren Städten als Erwerbslose, Jobber, prekär Beschäftigte und Gewerkschafter zu Initiativen zusammengeschlossen, weil wir begriffen haben, dass sie uns einmachen, wenn wir allein bleiben.
Wir haben uns mit unseren Initiativen zu regionalen und bundesweiten Netzwerken zusammengeschlossen, weil wir begriffen haben, dass wir ihren Lügen, ihrer Hetze und ihrer die Menschen verachtenden Politik ausgeliefert sind, wenn wir uns gegeneinander ausspielen lassen.”

Oldenburg ist ein Anfang, wie geht es weiter? Es trifft sich der Bochumer ver.di — Erwerbslosenaussschuss (EA) am Donnerstag, 21. Oktober, 11.00 — 14.30 Uhr, Universitätsstr. 76, (hinten links, Saal 1 oder 2). Alle, die in den beiden „Bochum/Dortmund/Herne” - Bussen waren, sind herzlich eingeladen, gemeinsam eine Auswertung der Demo Oldenburg zu machen und Weiteres zu beraten. Es war gut, dass wir auf diese Weise in Kontakt gekommen sind. Das soll weitergeführt werden. Alle TN der Demo erhalten noch eine besondere Einladung, schreibt Norbert Herrmann vom Bochumer Sozialforum.

Die BerlinerInnen treffen sich am 13.10. um 19 Uhr im Mehringhof im Blauen Salon zur Nachbereitung und wie weiter.

Und so soll ein breiter Widerstand gegen Ernährungsarmut und Hunger sich fortpflanzen in den Städten und Landkreisen in denen Erwerbslose und Einkommensarme sich treffen.

Der Zeitplan der Gesetzgebung sieht bisher wie folgt aus:

27.-29.10.: 1.Lesung im Bundestag; 29.10.: Anhörung der Verbände und Sachverständigen;

1.12.: Ende der Beratung im Ausschuss für Arbeit und Soziales; 3.12. Entscheidung des Bundestages; 7.12. Letzte Sitzung des Bundesrates. Da der Bundesrat zustimmen muss, ist ein Vermittlungsverfahren sehr wahrscheinlich. Bis dahin ist also noch Zeit für abgestimmtes Handeln vor Ort. Wir sollten Bundestagsabgeordnete nicht aus der Pflicht nehmen, jede und jeder einzelne von ihnen muss sich entscheiden.

Grüße Claudia

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2. Aktionsvorschlag anlässlich der im Herbst bevorstehenden Neufestsetzung der Hartz-IV-Regelleistungen

Örtliche Bundestagsabgeordnete mit Mindestanforderungen an die (Kinder-)Regelleistungen konfrontieren

In den nächsten Monaten geht es darum, möglichst eine politische, gesellschaftliche Debatte über die Neubemessung der Hartz-IV-Sätze („Was braucht ein Mensch / ein Kind zum Leben?” statt „technokratischer” Auswertung der ”neuen” EVS 2008) hinzubekommen und die „Erhöhungs-Forderungen” stark zu machen[1].

Ein Erfolg versprechendes Mittel dazu kann neben anderen Aktivitäten die aktive Auseinandersetzung mit den örtlichen Bundestagsabgeordneten sein, die wir mit unseren Forderungen konfrontieren (siehe Anlage 1) und die Farbe bekennen sollen. Zugegeben: Diese Herangehensweise ist weder neu noch besonders originell, aber es sprechen einige gute Gründe dafür:

  • „Kommunalisierung”: Bezugnahme auf Abgeordnete als örtlich bekannte Persönlichkeiten kann Interesse und Aufmerksamkeit am Thema begünstigen;
  • Erwerbsloseninitiativen sind vor Ort handlungsfähiger (als die „Erwerbslosenszene” insgesamt bei Aktivitäten auf Bundesebene) und vielerorts als politische Akteure und kompetente Fachleute gut verankert;
  • die Auseinandersetzung kann spannend werden, da ein Teil unserer Mindestanforderungen an neue Hartz-IV-Leistungen nur schwerlich öffentlich abgewiesen werden kann;
  • sowohl Zustimmung zu unseren Forderungen als auch Ablehnung bzw. Ignoranz kann einen Nachrichtenwert haben

Damit keine Missverständnisse entstehen:

Der Vorschlag, örtliche Bundestagsabgeordnete mit Mindestanforderungen zu konfrontieren, ist zu verstehen als Mittel zum Zweck, um eine Debatte über die Neubemessung der Leistungen anzuzetteln. Dabei haben wir keine übertriebenen Erwartungen an Einsicht und Lernfähigkeit der Abgeordneten; natürlich werden wir nicht alle schwarz-gelben Abgeordneten auf unsere Seite ziehen…

Mögliche Verlaufsformen

  • Podiumsdiskussionen (Ausgangspunkt: Erhöhungs-Forderung, siehe Anlage 2)
  • (Offene) Briefe
  • Unterschriftenliste
  • Anfragen über das Internetportal „www.abgeordnetenwatch.de”

Je nach Reaktion des/der Abgeordneten und der örtlichen Möglichkeiten sind auch weitere Eskalationsstufen denkbar:

  • Spektakel/Demos vor Wahlkreisbüros
  • „Besuche” im Wahlkreisbüro

„Appell” an örtliche Bundestagsabgeordnete [Entwurf; Variante Zuspitzung auf Kinder]

Teilhabe statt Ausgrenzung —
Für bedarfsdeckende „Hartz-IV-Leistungen”

Die Hartz-IV-Leistungen für Erwachsene und Kinder müssen bis zum Jahresende neu ermittelt und neu festgesetzt werden. So hat es das Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 entschieden. Was gehört zu einem menschenwürdigen Existenzminimum? Welcher Geldbetrag ist mindestens notwendig, um in einem reichen Land wie der Bundesrepublik menschenwürdig leben zu können? Darüber muss der Bundestag, also die von uns gewählten Abgeordneten entscheiden. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden — und völlig zu Recht: Es darf nicht sein, dass Beamte in den Ministerien im Verborgenen neue Hartz-IV-Leistungen festsetzen, die von den Abgeordneten nur abnickt werden. Dafür steht für Millionen von Menschen zu viel auf dem Spiel!

Wir fordern daher unsere örtlichen Bundestagsabgeordneten auf, sich aktiv einzumischen und für eine deutliche Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen einzutreten.

Besonders groß ist der Handlungsbedarf bei den Leistungen für Kinder. Denn die tatsächlich für ein Kind anfallenden Ausgaben wurden bisher gar nicht berücksichtigt. Eine Neufestsetzung der Leistungen für Kinder muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

  • Eine gesunde, ausgewogene Ernährung muss möglich sein. Bei einem Mix der Einkäufe im Supermarkt und im Discounter ist dafür je nach Alter eines Kindes mindestens ein Betrag zwischen 3,14 € (6 Jahre) und 6,06 € (15 Jahre) pro Tag erforderlich.[2]
  • Alle notwendigen Ausgaben für die Schule müssen abgedeckt werden. Dazu sind Einmalleistungen für die Grundausstattung bei der Einschulung (~ 180 €) und für besondere Ausgaben (z.B. Taschenrechner) sowie eine Pauschale für die laufenden Kosten vorzusehen.
  • Der besondere, wachstumsbedingte Mehrbedarf von Kindern und Jugendlichen bei Bekleidung und Schuhen muss ausreichend berücksichtigt werden.
  • Allen Kindern muss es möglich sein, je nach Interesse und Neigung in einem Sport- oder einem sonstigen Verein mitzumachen oder ein Instrument zu erlernen.
  • Die Kosten für ein Fahrrad und eine (Schüler)Monatskarte für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr müssen abgedeckt sein.
  • Die Leistung muss einen ausreichenden Geldbetrag für Spielzeug, Bücher, Hobbies und Freizeitaktivitäten (z.B. Schwimmbad, Kino oder Zoo) beinhalten.
  • Die öffentliche Infrastruktur kinderspezifischer Angebote muss ausgebaut werden (z.B. Förderunterricht, Schülerbeförderung, Mittagessen in der Schule). Sofern entsprechende Angebote vor Ort (noch) nicht bestehen, sind die entsprechenden Ausgaben über Geldleistungen zu gewähren. Kinder und Jugendliche im Hartz-IV-Bezug dürfen nicht durch Gutscheine oder bereit gestellte Sachleistungen auffallen und stigmatisiert werden.

Wir appellieren an unsere örtlichen Bundestagsabgeordneten, sich aktiv in ihren Fraktionen und im Bundestag dafür einsetzen, dass die vorstehenden Mindestanforderungen bei der Neubemessung der Hartz-IV-Leistungen für Kinder und Jugendliche berücksichtigt werden.

Eine Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen ist dringend erforderlich, um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, reicht aber alleine nicht aus:

Wir fordern unsere örtlichen Bundestagsabgeordneten daher auf, sich aktiv dafür einzusetzen, dass auch der Kinderzuschlag für Geringverdienende in Höhe von heute monatlich maximal 140 Euro pro Kind zukünftig nach dem Alter und den spezifischen Ausgaben für ein Kind gestaffelt und entsprechend der Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen ebenfalls angehoben wird.

Arbeitshilfe Podiumsdiskussion mit örtlichen Abgeordneten:

„Was braucht ein Mensch / ein Kind zum Leben?” Grundideen:
  • Auseinandersetzung mit örtlichen Bundestagsabgeordneten suchen als Mittel, um notwendige Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen zum öffentlichen Thema zu machen
  • Erwartungshaltung gegenüber Abgeordneten formulieren
  • Druck auf Abgeordnete aufbauen: die Abgeordneten mit Mindestanforderungen konfrontieren, die in der Öffentlichkeit Zustimmung finden und die die Abgeordneten schlecht öffentlich ablehnen können

Herangehensweise:

Wichtig ist, dass konkrete Vorschläge für höhere Leistungen die Ausgangsbasis und den roten Faden für die Veranstaltung darstellen, zu denen die Abgeordneten möglichst konkret Stellung beziehen müssen.

Möglicher Ablauf

  • Begrüßung
  • Einführung: Neubemessung der Hartz-IV-Regelleistung nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil
  • Einstiegsstatement: Plädoyer für höhere Regelleistungen und gesetzlichen Mindestlohn bzw.
  • Plädoyer für bedarfsdeckende Leistungen für Kinder und einen entsprechend erhöhten Kinderzuschlag für Geringverdiener: z.B. Vorschläge des Paritätischen für neue Kinder-Regelleistungen oder des DGB (aus dem Konzept „Kinderarmut bekämpfen”)
  • Podiumsrunde: Wie stehen die Abgeordneten zu den Vorschlägen? Wie stellen sie sich eine Neufestsetzung der Leistungen konkret vor?
  • Öffnung: Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum
  • Podium: „Antwortrunde”
  • Moderation: Mindestanforderungen (siehe Appell) vor- und zur Diskussion stellen
  • Podiumsrunde: Welche Punkte werden von den Abgeordneten unterstützt? Wie werden sie sich dafür einsetzen?
  • Abschluss (ggf. auch: Verabschiedung der Mindestanforderungen als Resolution der Versammlung)

Tipps zur Umsetzung

Einen starken Akteur als (Mit)Veranstalter gewinnen: DGB, Einzelgewerkschaft, Kirche, Kinderschutzbund…

  • gibt der Veranstaltung mehr Gewicht
  • erhöht die Chance, dass Abgeordnete sich nicht entziehen können und teilnehmen (müssen)
  • erleichtert Werbung für die Veranstaltung

Durchsetzungsfähige(n) Moderator(in) gewinnen,

  • die/der „sich traut” auch gegenüber Abgeordneten steuernd einzugreifen: Betriebsratsvorsitzende(r)? Pfarrer(in)? DGB-Regionsvorsitzende(r)?, Journalist(in)?
Auf das Wesentliche konzentrieren! Details aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts etwa oder auch die Einzelheiten der bisherigen Herleitung der Regelleistungen aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sind für viele kaum nachvollziehbar und verwirren meist mehr als dass wir damit aufklären können. Also: lieber vereinfachen, auf klare, nachvollziehbare Botschaften zuspitzen (und die Verästelungen vernachlässigen).

Pressearbeit nicht vergessen:

  • Ankündigung der Veranstaltung, Einladung Pressevertreter, Pressemitteilung zu Verlauf und Ergebnissen

Auch die Absage / Nichtteilnahme eines Politikers kann einen Nachrichtenwert haben (Die Arbeitsloseninitiative Wismut hat mal große Aufmerksamkeit damit erzeugt, die Stühle von Politikern, die nicht kommen wollten, stehen zu lassen und mit Schaufensterpuppen zu besetzen (mit Dank an die Adresse der Oldenburger)

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3. Auftaktrede am 10.10.10 in Oldenburg

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir sind hier, wir sind schon jetzt mehr als Zweitausend, und wir sind laut!

Wir sind laut, weil wir eine Stinkwut im Bauch haben! 5 Euro mehr Hartz IV sind ein Schlag ins Gesicht aller Erwerbslosen, aber sie sind auch ein Schlag ins Gesicht aller Lohnabhängigen, die jederzeit in Erwerbslosigkeit und Hartz IV landen können. Sie sind ein Schlag ins Gesicht all der Menschen, die auf eine menschenwürdige Grundsicherung angewiesen sind, ob für kurze Zeit zwischen zwei Jobs oder für längere Zeit, weil es nicht genug existenzsichernde Arbeitsplätze gibt, oder weil es keine vernünftige Kinderbetreuung gibt in diesem Land. Sie sind ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die mit ihrer innersten Überzeugung für eine gerechte und solidarische Gesellschaft eintreten!

Wir sind hier, und wir sind laut, weil wir uns das nicht gefallen lassen werden!

Und wir sind heute so viele hier, weil wir uns organisiert haben! Wir haben uns in unseren Städten als Erwerbslose, Jobber, prekär Beschäftigte und Gewerkschafter zu Initiativen zusammengeschlossen, weil wir begriffen haben, dass sie uns einmachen, wenn wir allein bleiben.

Wir haben uns mit unseren Initiativen zu regionalen und bundesweiten Netzwerken zusammengeschlossen, weil wir begriffen haben, dass wir ihren Lügen, ihrer Hetze und ihrer die Menschen verachtenden Politik ausgeliefert sind, wenn wir uns gegeneinander ausspielen lassen.

Zeigen wir Ihnen, dass wir mit einer Stimme sprechen können!

Und seien wir laut, damit wir im ganzen Land unüberhörbar werden!

Lasst uns alle begrüßen, die in den Erwerbslosenausschüssen von Verdi organisiert sind und damit zeigen, dass der Kampf gegen Erwerbslosigkeit und prekäre Arbeit auch aus den Gewerkschaften heraus geführt werden muss!

Lasst uns alle begrüßen, die über die Koordinierungsstelle der gewerkschaftlichen Erwerbsloseninitiativen organisiert sind und damit zeigen, dass eine kämpferische Erwerbslosenarbeit einen eigenen Platz in den Gewerkschaften braucht!

Lasst uns alle begrüßen, die sich im Erwerbslosenforum Deutschland zusammengeschlossen haben und uns immer wieder zeigen, dass organisierte Erwerbslose in der Lage sind, sich auch in den Medien professionell Gehör zu verschaffen.

Lasst uns alle begrüßen, die sich in den verschiedenen Gruppen des Aktionsbündnisses Sozialproteste organisiert haben und damit zeigen, dass der Kampf um soziale Gerechtigkeit von unten und in Ost und West gemeinsam geführt werden kann.

Lasst uns die MitstreiterInnen des Projekts Tacheles begrüßen, denen es mit ihrer sozialpolitischen Kompetenz und ihrer klugen Aufklärungsarbeit immer wieder gelingt, die herrschende Öffentlichkeit zu durchbrechen und unsere Positionen wirksam zu positionieren.

Lasst uns die Milchbauern begrüßen, die im Bundesverband deutscher Milchviehhalter organisiert sind und die mit ihrer solidarischen Teilnahme an dieser Demo zeigen, dass sich die von der Krise betroffenen gesellschaftlichen Gruppen nicht länger gegeneinander ausspielen lassen.

Lasst uns all' die Menschen begrüßen, die sich seit Jahren in Erwerbsloseninitiativen im ganzen Land und in Dachorganisationen wie der Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen gegen die unwürdigen Hartz-Gesetze engagieren.

Lasst uns die Asylbewerber, MigrantInnen und ihre unterstützenden Organisationen begrüßen, die mit ihrem mutigen Widerstand gegen Zwangsabschiebungen, Kasernierung, rassistische Vorurteile und Sonderbehandlungen zeigen, dass wir nur gemeinsam und auf internationalistischer Basis bessere Lebensbedingungen für alle erstreiten können.

Lasst uns alle anderen Menschen begrüßen, die heute hierhergekommen sind, weil sie mit uns zusammen für ein menschenwürdiges Einkommen streiten wollen und damit zeigen, dass wir einer weiteren gesellschaftlichen Ausgrenzung und Spaltung von unten etwas entgegensetzen können.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir können schon allein darauf stolz sein, dass all diese verschiedenen Netzwerke und gesellschaftlichen Gruppen heute hier unter einer gemeinsamen Forderung zusammen demonstrieren. Aber das reicht natürlich nicht. Diese Demo heute hier in Oldenburg soll der Auftakt und das Symbol dafür werden, dass wir mindestens 80 Euro mehr für Lebensmittel im Regelsatz von Hartz IV durchsetzen werden!

Natürlich sind 80 Euro mehr für Lebensmittel sofort nicht alles, was wir fordern. Wir wollen eine menschenwürdige Existenzsicherung in einer Höhe, die dem gesellschaftlichen Reichtum angemessen ist, ohne Wenn und Aber und für alle Menschen, die hier leben. Wir wollen menschenwürdige, gerechte, solidarische und ökologische Arbeits- und Lebensbedingungen ohne Ausbeutung, Ausgrenzung und Unterdrückung — und zwar für alle Menschen auf der ganzen Welt!

80 Euro mehr für Lebensmittel sofort, diese Forderung ist der erste Schritt auf diesem Weg, den wir gemeinsam gehen. Lasst uns diese 80 Euro mehr zum Symbol dafür machen, dass wir selbstbewusst und solidarisch handeln können, dass wir Hartz IV abschaffen können, dass wir die Gesellschaft verändern können, ja, dass wir die Welt verändern können, wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen. Eine bessere Welt ist möglich!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Mit unserer Demonstration hier und heute werden wir eine für unser Land historisch neue Form des Protests begründen: Krach schlagen auf Kochtöpfen!

Krach schlagen auf Kochtöpfen signalisiert, dass es ans Eingemachte geht, dass selbst in einem der reichsten Länder auf der Erde das elementare Grundbedürfnis nach gesunder Ernährung verletzt wird. Und allein das sollte den Verantwortlichen in diesem Land die Schamesröte ins Gesicht treiben.

Aber wir wissen, dass diese Menschen zu Charaktermasken des Profits geworden sind und menschliches Mitgefühl und Solidarität anscheinend nicht mehr empfinden. Und deshalb steht Krach schlagen auf Kochtöpfen auch für unsere Wut und Entschlossenheit, dieses unmenschliche System des Profits Geschichte werden zu lassen.

Wir werden nicht den Fehler machen, auf die strukturelle Gewalt des HartzIV-Systems und die reale Gewalt der Polizeiknüppel unsererseits mit Gewalt zu antworten. Auf ihre soziale Kälte antworten wir mit unserer menschlichen Wärme, auf ihre Ausgrenzung antworten wir mit Zusammenhalt — Kochtopf statt Kalaschnikow!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Damit unser Krach schlagen nicht nur chaotisches Krach schlagen bleibt, sondern schon darin sich ausdrückt, dass wir uns organisieren und koordiniert handeln können, haben wir für diese Demo einen Trommelrhythmus vorbereitet. Diesen Trommelrhythmus werden wir jetzt gemeinsam unter der Anleitung von Rüdiger ausprobieren.

Wir wünschen uns allen eine laute, bunte, friedliche und kraftvolle Demo: 80 Euro mehr für Lebensmittel — sofort!

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4. Abschlussrede 10.10.10

Teil I

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Diese Regierung behandelt mehr als fünf Millionen Menschen dieser Gesellschaft wie den letzten Dreck! Sie wirft ihnen fünf Euro hin wie den Tieren das Futter: Friss oder stirb! Sie hat keine öffentliche Diskussion darüber geführt, was ein Mensch in dieser Gesellschaft braucht für ein menschenwürdiges Leben. Sie hat nicht mit denjenigen gesprochen, die von Hartz IV leben müssen. Sie hat das soziokulturelle Existenzminimum wieder im Hinterzimmer berechnen lassen und präsentiert die Ergebnisse um fünf Minuten vor Zwölf — und dann noch mit peinlichen Zahlendrehern.

Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Hartz IV-Sätze gegen die Menschenwürde verstoßen und deshalb neu bestimmt werden müssen, hätte die Chance beinhaltet, eine breite gesellschaftliche Debatte darüber zu führen, was ein Mensch braucht für ein menschenwürdiges Leben in der Bundesrepublik Deutschland. Es hätte die Chance beinhaltet, die Abspaltung und Ausgrenzung einer wachsenden Armutsbevölkerung überhaupt einmal zu thematisieren und gemeinsam nach Lösungsansätzen zu suchen.

Aber was macht diese Regierung?

Sie weiß, dass für die Berechnung der Hartz IV-Sätze entscheidend ist, welche Haushalte als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Das ist eine politische Entscheidung. Bisher waren es die untersten 20 Prozent aller Einkommensbezieher, ohne die Hartz IV- und Grundsicherungsbezieher selber.

Diese Regierung entscheidet als erstes, in dieser Vergleichsgruppe nicht nur all diejenigen zu belassen, die ergänzend Hartz IV oder Grundsicherung erhalten, weil ihr Lohn oder ihre Rente nicht reichen, sondern auch noch all die Haushalte, deren Einkommen sogar noch unter den Hartz IV-Sätzen liegen.

Im Klartext heißt das: Die Höhe des Regelsatzes soll sich auch nach den Ausgaben von Menschen bemessen, die noch nicht einmal den Regelsatz zur Verfügung haben.

Aber die politische Willkür der Regierung ist damit noch nicht zu Ende. Als ihr nach diesem Trick die Ergebnisse immer noch zu hoch erscheinen, berücksichtigt sie statt der untersten 20 nur noch die untersten 15 Prozent. Hören wir dazu den Originalton aus dem Bundesarbeitsministerium:

„Mit einer Referenzgruppe von ungeachtet weiter 20 Prozent käme man bei der Bemessung des Existenzminimums in Einkommensklassen, die in die untere Mittelschicht reichen (bis 1.200 Euro).”

Liebe Freundinnen und Freunde: Das ist schon eine bemerkenswerte Aussage!

Erstens gibt die Regierung hier unumwunden zu, dass sie die Statistik manipuliert, bis ihr das Ergebnis passt.

Zweitens wird deutlich, dass die Regierung schon ein Niedriglohneinkommen von 1.200 Euro im Monat zur Mittelschicht deklarieren muss, nur um zu verbergen, dass inzwischen fast ein Viertel aller lohnabhängig Beschäftigten im Niedriglohnsektor arbeiten muss. Und das nicht etwa deshalb, weil in Deutschland in den letzten Jahren insgesamt weniger Geld verdient würde — im Gegenteil, aber das Einkommen wird immer ungleicher verteilt. Während der Niedriglohnsektor sich ausweitet und die Lohnhöhe dort seit 1995 nicht mehr ansteigt, steigen die Einkommen und Gewinne der Reichen und Superreichen.

Und drittens zeigt sich hier, dass die Regelsatzbemessung nach der EVS von vornherein einen entscheidenden Konstruktionsfehler hat:

Wenn man 25 Jahre lang eine Massenarbeitslosigkeit von mehr als 4 Mio. nicht bekämpft, sondern stattdessen den Erwerbslosen systematisch Jahr für Jahr die Leistungen kürzt, wenn man gleichzeitig einen Niedriglohnsektor schafft und mit Hartz IV systematisch ausweitet, wenn man in dieser Zeit an einem völlig überholten Schulsystem festhält, die systematische Bildungschance nach der sozialen Herkunft verteilt, wenn Kinder kaum eine Chance haben, diesen Teufelskreis sozial vererbter Ausgrenzung zu durchbrechen — wenn man also ein Vierteljahrhundert lang die Gesellschaft systematisch sozial, kulturell und politisch spaltet und eine wachsende Armutsbevölkerung produziert — dann kann die Bemessung des gesellschaftlichen Existenzminimums am Konsumverhalten dieser Armutsbevölkerung zu nichts anderem führen als zu weiterer Verarmung, weiterer Mangelernährung und weiterer Ausgrenzung.

Das bedeutet: Wenn die untersten Schichten der Gesellschaft so verarmt sind, dass sie sich kein Obst und keine Bücher mehr leisten können, dann folgt nach diesem Modell daraus, dass Obst und Bücher nicht zum Existenzminimum gehören.

Diese politische Willkür bei der Berechnung des Existenzminimums können und wollen wir uns nicht länger gefallen lassen!

Der Teufelskreis gesellschaftlicher Spaltung kann nur durchbrochen werden — und das ist ein Grund, liebe Freundinnen und Freunde, warum heute Erwerbslose, lohnabhängig Beschäftigte und Landwirte gemeinsam demonstrieren — dieser Teufelskreis gesellschaftlicher Spaltung kann nur durchbrochen werden, wenn wir sowohl dem weiteren Lohndumping einen gesellschaftlichen Riegel vorschieben als auch für eine menschenwürdige Grundsicherung sorgen, die sich eben nicht am sinkenden Lohniveau bemisst, sondern am wachsenden gesellschaftlichen Reichtum.

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, diese Regierung hat nicht einmal genügend Anstand, wenigstens die Bedarfe von mehr als zwei Millionen Kindern, die von Hartz IV leben müssen, ernsthaft zu ermitteln, so wie es das Verfassungsgericht verlangt hat.

In den Daten der EVS werden die Ausgaben für Kinder nämlich gar nicht gesondert erfasst. Sie wurden in den Hinterzimmern des Ministerium mit komplizierten Rechenmodellen von den Gesamtausgaben der Haushalte „abgeleitet” Frau von der Leyen sollte ihr Ministerium nicht mehr Ministerium für Arbeit und Soziales nennen, sondern das „Mysterium der unterdrückten Bedarfe”.

Denn was, liebe Freundinnen und Freunde, hat es mit realen Bedürfnissen zu tun, wenn in den neuen Regelsätzen für die Ernährung eines 13-jährigen Kindes 27 Euro und 47 Cent pro Monat weniger enthalten sind als für ein 14-jähriges Kind? Es wird das Geheimnis von der Leyens bleiben, wie wir unserem 13-jährigen Kind erklären sollen, dass es jeden Monat für 27 Euro und 47 Cent weniger zu essen bekommt als sein 14-jähriges Geschwisterkind.

Solch ein Schwachsinn kann nur dabei herauskommen, wenn man Statistikern vorschreibt, die realen Bedürfnisse von Millionen Menschen auf eine von vornherein festgelegte Summe herunter zu rechnen.

Nebenbei bemerkt finden wir es beschämend, dass hochdotierte Wissenschaftler sich dafür hergeben, der Regierung solche Scheinrechtfertigungen für ihren fortgesetzten Verstoß gegen die Menschenwürde zu liefern. Aber vielleicht sind das auch schon die ersten Ergebnisse der neoliberalen Bildungsreformen:

dass hochspezialisiertes Fachwissen offensichtlich ohne weiteres mit einer totalen sozialen Verblödung zusammengehen kann.

Diese Regierung predigt nur eine allgemeine Familien- und Kinderförderung, praktisch betreibt sie eine gesellschaftliche Auslese, die man nur noch als sozialrassistisch bezeichnen kann — wie sonst ist das krampfhafte Festhalten an unserem aussortierenden Schulsystem zu erklären, oder die kaltschnäuzige Streichung des Elterngelds nur für Hartz IV-Kinder und nun die grobe Missachtung grundlegender Bedürfnisse von mehr als zwei Millionen Kindern?

Dabei muss es nicht immer nur mehr Geld sein. Wir sind durchaus mit Sachleistungen einverstanden, gern nach dem skandinavischen Vorbild, auf das sich von der Leyen mit ihrer Chipkarte so gern bezieht.

Wir sind schwer dafür, dass alle Kinder gemeinsam lernen bis zur zehnten Klasse, dass der Transport zur Schule nichts kostet, dass sämtliche Schulmaterialien bezahlt werden, dass es ein gesundes und kostenloses Mittagessen für alle Kinder in der Schule gibt, dass alle Kinder bis Nachmittags professionell und liebevoll betreut werden. Solche Sachleistungen für alle nehmen wir gerne, denn eine solche soziale Infrastruktur würde tatsächlich die weitere Spaltung der Gesellschaft stoppen und Integration voranbringen.

Aber wir sind gegen scheinheilige Mogelpackungen, mit denen die armen Kinder nur noch mehr diskriminiert und ausgegrenzt werden.

Teil II

Liebe Freundinnen und Freunde!

Die gesellschaftliche Auslese ist ein notwendiger Teil des aktuellen Aufschwungs „Made in Germany”.

So, wie die Bundesregierung sich mit den Laufzeitverlängerungen zum Büttel der Atomindustrie und mit der sogenannten Gesundheitsreform zum Büttel der Pharmakonzerne macht, vollzieht sie auch die als Büttel die Politik für die Exportindustrie. Sie betreibt die soziale Spaltung der Gesellschaft, um den Druck auf die Löhne aufrecht zu erhalten. Denn der aktuelle Aufschwung Deutschlands ist ein sehr einseitiger, exportgetragener Aufschwung, der nur mit relativ geringen Lohnkosten und auf Kosten anderer Länderfunktionieren kann. Er bewegt sich auf dünnem Eis. Die deutsche Wirtschaft wächst zur Zeit, weil die Ökonomien in Griechenland, Spanien, Portugal und Irland nicht mehr wachsen. Die deutschen Arbeitslosenzahlen sinken, weil die Arbeitslosigkeit in andere Länder exportiert wird.

Ein Sprichwort sagt: „Wer sich auf dünnem Eis bewegt, muss schneller laufen”. Aber die kapitalistische Wachstumsideologie führt uns immer weiter weg vom Ufer — und sorgt nebenbei auch noch für die fortschreitende Erwärmung der Gewässer. Der fatale Wettlauf um Absatzmärkte, Rohstoffe, Öl und Gas zerstört die Lebensgrundlagen unseres Planeten. Er verursacht Kriege, Ausbeutung, Hunger und Naturkatastrophen und führt zur Vertreibung und Flucht von Millionen Menschen.

Während für den Warenexport und die Ausbeutung von Rohstoffen die Grenzen nicht schnell genug durchlässig gemacht werden können, werden für Flüchtlinge die Schotten in Europa dicht gemacht.

Den wenigen, die den Weg in die reichen Länder überhaupt schaffen, wird das Leben bewusst schwer gemacht. Sie sind in den miserabelsten Unterkünften untergebracht und ständig von Abschiebungen bedroht. Noch jede Verschlechterung unserer Sozialleistungen wird vorher an ihnen vollzogen. An ihnen wird gesellschaftlich vorexerziert, wie mit vermeintlich überflüssigen Menschen umgegangen wird.

Aber Flüchtlinge und ihre Unterstützerorganisationen wehren sich. Und wir freuen uns, dass sie mit uns hier zusammen demonstrieren, dass sie sich mit unseren Forderungen solidarisieren, dass wir uns gemeinsam wehren gegen die Spaltung in nützlich und überflüssig.

Wir fordern eine ausreichende und gleiche Grundsicherung für alle Menschen weltweit!

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!

Zur Herstellung von Jeans im „Vintage-Style” müssen Arbeiterinnen in den türkischen Textilfabriken die Jeans per Hand sandstrahlen. Die giftigen Dämpfe, die dabei entstehen, führen zur Zerstörung ihrer Atemwege — Aber wir sind froh, dass wir uns diese Jeans für 9,99 Euro bei Aldi kaufen können, weil mehr Geld dafür im Hartz IV-Regelsatz nicht vorgesehen ist.

Bei der Gemüseproduktion unter den quadratkilometergroßen Folientunneln im spanischen Almeria ruinieren Tausende MigrationsarbeiterInnen Jahr für Jahr ihr Leben und ihre Gesundheit durch katastrophale Arbeitsbedingungen und Pflanzengifte — Aber wir freuen uns, drei bunte Paprikaschoten für 79 Cent bei Lidl kaufen zu können, denn für frisches Obst und Gemüse reicht der HartzIV-Satz sonst nicht.

Weil die Milchpreise längst nicht kostendeckend sind, ist die Existenz vieler Milchviehhalter in Deutschland bedroht. Sie müssen aufgeben oder ihr Land an die Betreiber von Biogasanlagen verpachten —

Aber wir freuen uns, dass die Milchprodukte bei den Discountern so günstig sind, denn für mehr würde der Hartz IV-Satz auch nicht reichen.

Weil sie diese fatalen Zusammenhänge begriffen haben, demonstrieren auch die Milchbauern hier mit uns gemeinsam! Sie wissen, dass wir uns Nahrungsmittel zu fairen Preisen nur leisten können, wenn dafür genug Geld im Regelsatz enthalten ist. Und wir wissen, dass wir die Ausbeutung der ArbeiterInnen, die Zerstörung der regionalen Landwirtschaft, die Massentierquälerei und die Zerstörung der Natur weltweit nur stoppen können, wenn wir anfangen, den ruinösen Preiskrieg der Discounter hier stoppen.

Wir wollen nicht länger durch Hartz IV gezwungen sein, immer nur das Billigste einzukaufen!

Wir wollen nicht als Rechtfertigung für den Preiskrieg der Discounter missbraucht werden!

Deshalb fordern wir mindestens 80 Euro mehr für Lebensmittel sofort!

Teil III

Liebe Freundinnen und Freunde!

80 Euro mehr sind nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu gerechten und ökologischen Arbeits- und Lebensverhältnissen auf der ganzen Welt. Aber deshalb sind 80 Euro mehr nicht nur einfach 80 Euro. 80 Euro mehr stehen heute symbolisch

  • dafür, dass Erwerbslose sich nicht kleinlaut in ihr vermeintliches Schicksal fürgen, sondern selbstbewusst und lautstark für die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse eintreten,
  • sie stehen dafür, dass die Erwerbslosen dabei nicht nur sich sehen, sondern den Blick über ihren Tellerrand heben und sehen, welche anderen gesellschaftlichen Gruppen von Angriffen auf ihre Lebensbedingungen betroffen sind,
  • 80 Euro stehen für mehr Geld in den Taschen der Erwerbslosen, aber sie stehen auch für bessere und gesündere Lebensmittel, sie stehen für regionale und ökologische Lebensmittelproduktion, sie stehen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und existenzsichernde Löhne überall,
  • 80 Euro stehen heute dafür, dass erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Erwerbslose, Flüchtlinge, prekär Beschäftigte, Gewerkschafter und Landwirte gemeinsam auf die Straße gehen, sich nicht gegeneinander ausspielen lassen und zusammen für ein besseres Leben kämpfen!

Und deshalb ist es auch gut so, dass immer mehr Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter begreifen, dass es nicht nur darum gehen kann, die Arbeitsplätze von Kernbelegschaften im „Standort Deutschland” zu retten, sondern dass an der Frage eines Mindesteinkommens über die gesamten Lebensverhältnisse in der Gesellschaft entschieden wird. Und deshalb ist es auch gut so, dass heute nicht nur viele GewerkschafterInnen und Gewerkschafter aus den Erwerbslosenausschüssen von Verdi dabei sind, sondern auch viele, die noch beschäftigt sind, und viele, die prekär beschäftigt sind und sich gerade deshalb gewerkschaftlich organisiert haben.

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter!

80 Euro mehr sind nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einem besseren Leben für alle. Aber für uns sind sie ein riesiger Schritt angesichts der gegenwärtigen Kräfteverhältnisse. „Große Macht bedeutet auch große Verantwortung” - aber wir haben keine große Macht, dazu sind wir noch zu wenige. Und trotzdem lastet auf uns eine große Verantwortung:

  • Wir sind es, die gegen menschenverachtende Spaltungs- und Ausgrenzungspolitik die Kraft des gesellschaftlichen Zusammenhalts repräsentieren,
  • Wir sind es, die gegen soziale Kälte menschliche Wärme und Solidarität setzen,
  • Wir sind es, die über eine lebenswerte und menschenwürdige Zukunft nicht nur für Reiche, sondern für alle Menschen auf der ganzen Welt nachdenken!

Aber wir sind es auch, die diesen Kampf gewinnen müssen! Dazu brauchen wir Verbündete! Wir freuen uns deshalb über die Unterstützung verschiedener Untergliederungen des DGB, von Verdi, der IG Metall und der GEW!

Wir freuen uns, dass VertreterInnen der Linken, aber auch der Grünen und der SPD uns für die heutige Demonstration ihre Solidarität bekunden. Aber wir sagen hier eines auch in aller Deutlichkeit an die Adresse der SPD und der Grünen: Mit flockigen Lippenbekenntnissen ist der Schaden, den ihr mit der Durchsetzung von Hartz IV angerichtet habt, nicht wieder gut zu machen!

Wir werden Euch an Euren Taten messen. Und von diesen Taten ist die geringste, die wir erwarten, dass Ihr diesen Gesetzentwurf mit uns zusammen verhindert — aber nicht für einen faulen Kompromiss im Vermittlungsausschuss, sondern für mindestens 80 Euro mehr für Lebensmittel — und keinen Cent weniger!

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

Mit dieser Demonstration haben wir unsere Forderung nach 80 Euro mehr zum Symbol für unseren Kampf für ein besseres Leben gemacht. Und wir haben ein für Deutschland historisch neues Symbol geschaffen: das Krach schlagen auf Kochtöpfen.

Krach schlagen auf Kochtöpfen signalisiert, dass es ans Eingemachte geht, dass selbst in einem der reichsten Länder auf der Erde das elementare Grundbedürfnis nach gesunder Ernährung verletzt wird.

Aber Krach schlagen auf Kochtöpfen signalisiert auch, dass wir die Machthaber in diesem Land nicht mehr in Ruhe lassen werden.

Lasst und in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten, notfalls auch Jahren, dafür sorgen, dass es keine politische Veranstaltung mehr gibt, auf der wir nicht auf Kochtöpfen Krach schlagen:

Für 80 Euro mehr für Lebensmittel sofort!

Für ein Einkommen für alle, das auch für eine gesunde Ernährung ausreicht!

Für sinnvolle Arbeitsplätze mit existenzsicherndem Einkommen!

Für gesellschaftliche Kontrolle unserer Lebensmittelproduktion!

Für eine ökologische, fair gehandelte und auch regionale Versorgung mit Lebensmitteln!

Für eine bessere Welt!

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5. kleine Presseübersicht

Oldenburg als Ermutigung für Erwerbslose, krach schlagen statt kohldampf schieben, 11.10.2010

Ca. 3000 Menschen sind unter dem Motto „Krach schlagen statt Kohldampf schieben” am vergangenen Sonntag in Oldenburg auf die Straße gegangen. Sie fordern etwas sehr Realistisches. 80 Euro mehr im Monat für Hartz IV-Empfänger. Seit Wochen wird in den Medien und der Politik über die neuen Regelsätze diskutiert.

In Oldenburg haben sich am Sonntag die Betroffenen lautstark in die Debatte eingemischt. Sie hatten Töpfe und Fässer mitgeführt, auf denen sie getrommelt haben. Damit haben sie eine Aktionsform eingeführt, die in Lateinamerika seit Jahren sehr beliebt ist. Aber es war nicht nur das Töpfe schlagen, dass den Reiz der Oldenburger Demonstration ausmachte. Es war auch die Bündnisbreite, die spezifische Oldenburger Mischung, die viele aus der ganzen Republik angereisten Erwerbslosen motivierte.

Denn sie reichte von Aktivisten des Autonomen Zentrum Alhambra über Mitglieder verschiedener Einzelgewerkschaften bis zu Milchbauern. Die Bündniskonstellation ist kein Zufall. Denn die Forderung nach höheren Regelsätzen kommt auch den Milchbauern zugute. Dann wären Erwerbslose nicht auf die Billigangebote von Discountern angewiesen. Höhere Preise könnten dafür sorgen, dass auch die Milchbauern mehr Geld für ihre Produkte bekämen.

„Mit Hartz IV sind wir gezwungen, bei Aldi und Lidl einzukaufen. Wir wollen aber nicht für den Preiskrieg der Discounter missbraucht werden”, betonte eine Vertreterin einer unabhängigen Erwerbslosengruppe aus Oldenburg unter großen Applaus. So wie die billigen Milchprodukte, sind Erwerbslose auch günstige Klamotten, auf preiswertes Obst etc. angewiesen. Unter welchen Bedingungen die Waren produziert werden, spielt für sie dann natürlich kaum eine Rolle.

Wie die Milchbauern so profitieren auch aktive Gewerkschafter von höheren Regelsätzen für Erwerbslose. Die sind dann nicht mehr so einfach gezwungen, Dumpinglöhne um fast jeden Preis zu akzeptieren. Damit aber wird ein Unterbietungswettbewerb in Gang gesetzt, der schon längst auch die Löhne der Lohnabhängigen ins Rutschen bringt.

Wenn die Oldenburger Mischung Schule machen würde, könnte ein wichtiges Herrschaftsinstrument, das ständige gegeneinander ausspielen, stumpf werden. Genau darin liegt die besondere Qualität der Oldenburger Demonstration. Wenn jetzt ganz Schlaue darauf verweisen, dass 3000 Demonstranten für eine bundesweite Demonstration keine große Menge sind, geht das in der Realität vorbei. Denn die Hartz IV Politik hat die Menschen entmutigt und entmündigt, sie immer wieder mit Terminen in Jobcentern überhäuft, dass bei vielen gar kein Gedanke mehr an Widerstand aufgekommen ist. Mit Aktionen wie Zahltag oder „Keiner geht allein zum Amt” wurden erste Schritte der Selbstermächtigung gemacht. Die Demonstration am Sonntag könnte ein weiterer großer Schritt werden, wenn die Oldenburger Mischung auch in anderen Teilen der Republik Schule macht. Peter Nowak


Hallo + guten Morgen, erste Nachlese:

http://fair-berichten.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2259%3Atolle-leistung-betroffener-bundesweite-erwerbslosen-demo&catid=46%3Ahartz-iv&Itemid=79

Tausende demonstrierten für höhere Hartz-IV-Leistungen

Tolle Leistung Betroffener: Bundesweite Erwerbslosen-Demo

Eine Demonstration, zu der bundesweit aufgerufen worden ist! Und dann nur etwa 3000 Teilnehmer? Ja! Und die Erwerbslosen haben allen Grund stolz zu sein. Sie haben einige wichtige Ziele erreicht, und zwar ohne auf der Welle „Wut-auf-die-5-Euro-Hartz-IV-Erhöhung” oder der „Stuttgart-21”-Welle mitzuschwimmen.

Hartz IV ist nicht nur ein Trauerspiel politischer Arbeit, nicht nur ein Instrument, mit dem Menschen entwürdigt und Ihrer Rechte beraubt werden, sondern auch handwerklich völlig ungenügend. Das SGB II hatte seit Einführung dermaßen viele Mängel, dass es mehrfach nachgebessert werden musste. Einige der wichtigsten Nachbesserungen hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar dieses Jahres vorgeschrieben. Unmittelbar nach der Karlsruher Entscheidung zur Neufestsetzung der Hartz IV-Sätze im Februar trafen sich Initiativen aus unterschiedlichen Spektren der Erwerbslosenbewegung. Dort verständigte man sich auf die Ausrichtung einer bundesweiten Demonstration in Oldenburg am 10. Oktober.

Und so kam sie zustande: Eine bundesweite Erwerbslosen-Demo — organisiert von Erwerbslosen, propagiert durch Erwerbslose, durchgeführt von Erwerbslosen — eine stolze Leistung. Zumal die finanziellen Mittel naturgemäß gering waren. Dennoch waren es heute etwa 3000 Menschen, die in Oldenburg auf die Straße gingen. Unter dem Motto „Krach schlagen statt Kohldampf schieben" schlugen sie auf Kochtöpfe und skandierten Parolen wie „Streichen bei den Reichen statt Sparen bei den Armen". Die Forderungen der Demonstranten war deutlich auf Transparenten zu lesen: „Weg mit Hartz IV - Basta!" sowie "Die Armutsfalle - betroffen sind wir alle".

Eine sehr konkrete Forderung war der Ruf nach 80 Euro mehr für Lebensmittel. Allein für eine gesunde Ernährung sei diese Erhöhung unabdingbar. Für Ernährung gibt’s heute für Erwachsene nur 118 Euro monatlich, pro Tag 3,94 Euro, für ein 13-jähriges Kind gar nur 2,76 Euro. Doch diese Forderung ist auch eine politische, der Versuch die Armutsspirale zu durchbrechen. Denn der Regelsatz für SGB-II-Leistungsberechtigte orientiert sich am immer weiter sinkenden Verbrauch der untersten Einkommensgruppen. „Den letzten beißen die Hunde.” Das alte Sprichwort trifft in diesem Fall exakt zu. Denn ohne Änderung bleibt es bei der Abwärtsspirale.

Viel Aufmerksamkeit hatte Annelie Buntenbach, Aufsichtsratsmitglied der Bundesagentur für Arbeit und DGB-Vorstandsmitglied, der bundesweiten Demonstration von Erwerbslosen gewünscht. In den Online-Medien schien die Kundgebung heute jedoch zunächst nicht der große Renner zu sein. Dabei ging es in Oldenburg heute um mehr als um 80 Euro plus im Hartz IV-Regelsatz. Es war eine Demonstration gegen die Spaltung der Gesellschaft in „Nützlich" und „Überflüssig", gegen Lohn- und Preisdrückerei, gegen menschenunwürdige Behandlung und für existenzsichernde Löhne. Und so schlossen sich heute auch norddeutsche Milchbauern und Organisationen, die sich für Flüchtlinge und Migranten einsetzen, den Erwerbslosen an. Und plötzlich sind die Grenzen zwischen Hartz-IV-Betroffenen, Migranten, Arbeitnehmern und Bauern gefallen.

Es ging aber auch darum viele Erwerbslose zu aktivieren. Denn die haben das Ende der Fahnenstange erreicht. Doch auch immer mehr Menschen aus dem wachsenden Niedriglohnsektor sind unmittelbar von Armut bedroht, viele bereits betroffen. Jeder kann der Nächste sein. Doch Resignation und häufig gesundheitliche Probleme aber natürlich auch die schwierige finanzielle Situation erschwert es enorm viele Erwerbslose für solch eine Demonstration zu gewinnen. Deshalb waren 3000 Demonstrierende nicht zu wenig, sondern eine tolle Leistung.

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Süddeutsche um 16.36h

Tausende demonstrieren gegen Hartz IV

Oldenburg (dpa) - Mehr als 3000 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet haben am Sonntag in Oldenburg für höhere Hartz-IV-Regelsätze demonstriert.

Unter dem Motto «Krach schlagen statt Kohldampf schieben» hatten mehrere Erwerbslosen-Initiativen zu dem Protest aufgerufen, bei dem die Teilnehmer auf Kochtöpfe trommelten. Allein für eine gesunde Ernährung seien mindestens 80 Euro mehr nötig. Angeschlossen hatten sich auch norddeutsche Milchbauern, die für faire Milchpreise kämpfen.

Die Koalition will den Regelsatz für Erwachsene um 5 auf 364 Euro im Monat anheben. Hartz-IV-Empfänger sollen außerdem von 1000 Euro Einkommen künftig 280 Euro behalten dürfen - 20 mehr als bisher. Darüber ist eine heftige Diskussion entbrannt.

Teilnehmer riefen unter anderem «Streichen bei den Reichen statt Sparen bei den Armen». Auf Transparenten war zu lesen: «Weg mit Hartz IV - Basta!» sowie «Die Armutsfalle - betroffen sind wir alle».

12.10.2010 / Schwerpunkt / Seite 3

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PS:

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[1] Dabei sollten wir keine isolierten Erwerbslosen-Forderungen stellen, die „nur” Hartz-IV-Bezieher betreffen sondern immer eine Brücke zu den „Arbeitnehmer-Interessen” schlagen (Einführung gesetzlicher Mindestlohn, Erhöhung Kinderzuschlag).
[2] Quelle: Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund (FKE)

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