Informationen der BAG prekäre Lebenslagen für Mitglieder und Interessierte

Elektronischer Rundbrief Nr. 10/2010
Herausgeber BAG-Prekäre Lebenslagen — www.bag-plesa.de
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Der Rundbrief kann abonniert werden unter:
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Themen:
1. Gegenwind e.V., Arbeitsloseninitiative Glauchau-Zwickau
2. Zum 10.Todestag von Erich Eich
3. NAK und EAPN
4. Gespräch mit dem BMAS
5. Wir bleiben Alle
6. Das Ende der Bescheidenheit

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1. Gegenwind e.V. Arbeitsloseninitiative Glauchau-Zwickau

ist Mitglied im Verein "Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen — gegen Einkommensarmut und soziale Ausgrenzung e.V." Gegenwind e. V. war mit drei Vereinsmitgliedern beim Bundestreffen der Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen - Gegen Einkommensarmut und soziale Ausgrenzung e. V. (BAG PLESA) vom 13.-16.05 in Düsseldorf eingeladen.

Der Verein Gegenwind ist seit März 2010 Mitglied der BAG und hat das erste Mal an einem Treffen teilgenommen. Das Bundestreffen stand unter dem Motto: Mit Wut gegen die neuen Zumutungen. Für uns war es hochinteressant, informativ, lehrreich, wir haben viele neue Kontakte geknüpft zu anderen Erwerbsloseninitiativen, von denen wir im Kampf gegen die immer weiter steigende Armut, gegen Willkür in den Argen und gegen Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen vieles nach hier übernehmen können.

In der Vorstellungsrunde haben wir darauf hingewiesen, dass es in der Erwerbslosenarbeit einen riesigen Unterschied zwischen Deutschland Ost und West gibt. Die riesigen Probleme die wir hier in der Öffentlichkeitsarbeit haben, keine Presse, keine Darstellung im öffentlichen Raum (Werbung), keine Unterstützung finanzieller Art vor allem für eigene Räume, sind für die Initiativen im Westen nicht immer nachvollziehbar. In den Städten der westlichen Seite ist oft Unterstützung da und die Initiativen werden auch nicht ständig aus dem öffentlichen Raum herausgehalten.

Da werden ARGE-Mitarbeiter beim Namen genannt und in der Presse für schlechte Arbeit angeprangert, wenn wir das in der Presse hier tun könnten, das wäre ein Plus, aber bei uns hält man sich raus, diese Frage: Warum bekommt ihr kein kritisches Bein in die Tür der Öffentlichkeit, konnten wir nicht beantworten.

Geplant sind gemeinsame Aktionen z. B. "Zahltag", es wäre doch gut, wenn durch eine Vernetzung, die Argen/Ost auch mal etwas Westwind spüren können. Unsere Erwerbslosen brauchen mehr Rückhalt, damit das Selbstbewusstsein gestärkt wird und sie nicht bei jeden Gang zur ARGE vor Angst zittern.

Bei dem kommenden Treffen wird das ein Hauptthema werden, denn wenn etwas an der Situation der prekären Lage vieler Menschen geändert werden soll, dann nur durch ein solidarisches Miteinander, und das soll durch die BAG PLESA mit organisiert werden.

Beschlossen wurde auch, dass Erwerbslose und prekär Beschäftigte befragt werden sollen: Was ist notwendig für ein gutes Leben, ein gutes Wohnen ohne Sanktionen und drohende Workfare- Programme.

Wir sollen, wir müssen alle aus der Ecke der Gleichgültigkeit und Lethargie heraus, das was uns an fertigen Programmen der Regierenden u. der Wirtschaft erwartet ist keine Zukunft, sondern zurück in die Zeit von 1933 an. Diese Zeit, die Deutschland an ein schreckliches Ende gebracht hat, sollte für ewig nur noch Geschichte sein.

Das Bundestreffen war verbunden mit der Mitgliederversammlung und der Nachwahl zum Vorstand. Gegenwind e. V. hat jetzt einen Sitz im Vorstand der BAG PLESA. Auf diese Entscheidung sind wir sehr stolz, dass auch Neue eine Chance bekommen u. ihre Ideen einbringen können. Für uns waren es anstrengende, ereignisreiche, informative und auch schöne Tage im Kreis derer, die im Wollen u. Denken auf gleicher Linie sind. Bedanken wollen wir uns noch bei denen, die uns mit ihrer Spende die Teilnahme ermöglicht haben.

Wir werden auch die Ergebnisse der Arbeitsgruppen, die noch in Auswertung sind hier auf unserer Homepage veröffentlichen.

M. Madaus, 21. Mai 2010

http://www.ali-gegenwind.de/2010/05/23/bericht-vom-bundestreffen-der-bag-plesa/

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2. Niemand ist vergessen. Zum 10. Todestag von Dieter Eich

Im Mai 2000 ermordeten vier Neonazis im Alter von 17 bis 21 den Sozialhilfe-Empfänger Dieter Eich in Berlin Buch. Dieter Eich musste sterben, weil er in den Augen der Täter "asozialer Dreck" war, der am Wohl des "deutschen Volkskörpers" schmarotzte. Wir möchten nicht in Opfer erster und zweiter Klasse unterteilen. Dennoch denken wir, dass die Gewalttaten gegen Obdachlose und Sozialhilfeempfänger/innen kein rechtes Phänomen sind, sondern in dieser Gesellschaft mehrheitsfähig sind. So stimmte in einer Umfrage aus dem Jahre 2007 jeder dritte befragte Deutsche der Aussage " Menschen, die wenig nützlich sind, kann sich keine Gesellschaft leisten" zu. (vergleich Tagesspiegel, 14.2.2007), da sich diese Menschen den "Standort Deutschland" nur Kosten verursachen würden. So werden die meisten Gewaltakte nicht von Neonazis verübt, sondern von "Normalbürgern", die Lust am quälen Schwächerer haben, Personen die in "sozial Schwachen" haben, Personen die in "sozial Schwachen" Menschen sehen, die sich nicht wehren können und mit denen brutalst möglich umgegangen werden kann. In den 1990er Jahren zählte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe 107 Morde an Obdachlosen. Allein 1999 und 2000 kamen 14 Menschen (Tagesspiegel Sept. 2000), die Auf Grund des Beziehens von Sozialleistungen oder ihrer Obdachlosigkeit ermordet wurden.

Dieter Eich war einer von ihnen. ( AK Marginalisierte Berlin)

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3. Zur Nationalen Armutskonferenz und zur EAPN:

Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung in Düsseldorf am 13. bis 16. Mai 2010 wurden mit der Wahl von Thomas Lindlmair, Burkhard Stüwe und Wolfram Otto 3 neue Delegierten der BAG-Plesa in der Nationalen Armutskonferenz gewählt, weiterer Delegierter ist Lutz Heller.

Schon beim 5. Treffen der Menschen mit Armutserfahrung in Berlin am 21.6. und 22.6.2010 werden die neuen Delegierten die sozialpolitischen Positionen der BAG Prekäre Lebenslagen vertreten. Den bisherigen Delegierten Andreas Geiger, Jürgen Habich wurde das Vertrauen entzogen, da sie die Interessen der BAG Plesa in der Vergangenheit nicht adäquat vertraten und kompetente Mitglieder der BAG Plesa nicht an der Vorbereitung von Sitzungen/ bzw. Veröffentlichungen beteiligten. Die Delegierten in Düsseldorf haben für alle Delegierten der BAG das imperatives Mandat beschlossen. Das heißt es gibt für alle Delegierten eine regelmäßige Berichtspflicht und eine Absprache ihres schriftlichen wie mündlichen Auftretens bei Veranstaltungen, in Medien. Der NAK wurde die personelle Veränderung mitgeteilt, um auch eine Änderung der Delegationsteilnehmer der BAG nach Zypern zu erreichen. Dort ist das europäische Treffen- EAPN. Eine offizielle Antwort der NAK gab es noch nicht.

Die BAG Prekäre Lebenslagen wird ihre Positionen zu den Kosten der Unterkunft, zum erhöhten Regelsatz, gegen Sanktionen und Workfare auch gegenüber den Wohlfahrtsverbänden und dem DGB in diesem Gremium deutlich machen.

http://www.nationale-armutskonferenz.de/fileadmin/user_upload/PDF/Programmheft_nak_Fokuswoche.pdf

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4. Das Gespräch des Vorstandes mit Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Auf der Mitgliederversammlung der BAG Prekäre Lebenslagen wurde am 13. bis 16. Mai ein Beschluss gefasst, außer der Finanzierung des Bundestreffens in Höhe von ca. 6.000,00 Euro in diesem Jahr 2010 keine weitere Finanzierung für unsere Arbeit zu beantragen. Vielmehr wollen wir uns um Spenden, Mitgliedsbeiträge und andere Fördermittel bemühen. Um die (Nicht-) Finanzierung unserer weiteren Arbeit durch das Ministerium zu besprechen, trafen sich drei Vertreter der BAG Prekäre Lebenslagen mit Vertretern des Ministeriums am 27.Mai 2010. Das Gespräch verlief positiv, und so können wir jetzt mit unserer inhaltlichen Arbeit so fortfahren, wie wir es auf unseren Mitgliederversammlungen und Plenum jeweils besprechen, ohne an Auflagen des Ministeriums gebunden zu sein und dadurch nur noch für das Ministerium arbeiten zu müssen. Protokoll unter: www.bag-plesa.de/.........

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5. Buchvorstellung:

"Wir bleiben ALLE!" Von Andrej Holm

Gentrifizierung, die Inwertsetzung bisher preiswerter Wohnviertel, hat sich zu einem ständigen Begleiter städtischer Veränderung entwickelt und steht für die neoliberale Version kapitalistischer Urbanisierung. Sanierte Häuser und neue Gewerbenutzung stehen nicht nur für einen Wandel der Stadt, sondern vor allem für steigende Wohnkosten, die Verdrängung ökonomisch Benachteiligter und die Durchsetzung neuer Sozialstrukturen in den betroffenen Quartieren. Das Büchlein geht der Frage nach was Gentrifizierung ist, welcher Logik die ökonomische, kulturelle und politische Aufwertung folgt. Es klingt aus mit Ansätzen für neue Bündnisse um das "Recht auf Stadt". (Unrast Verlag 2010)

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6. Ende der Bescheidenheit!

Es ist schon komisch, wenn es um soziale Leistungen für Erwerbslose oder arme Menschen geht, wird meist von Mindesteinkommen, minimaler Unterstützung oder Existenzminimum gesprochen. Die betroffenen Menschen sollen gerade so überleben, aber mehr auch nicht! Nur dann sind sie gefügig genug, dass sie jegliche Erwerbsarbeit zu jedem Preis und zu jeder Qualität akzeptieren. Das sind die Interessen derjenigen, die bestimmen können wie hoch ein Regelsatz zu sein hat. Aber sind das auch unsere Interessen?

Warum fordern wir nicht ein Einkommen für ein gutes Leben? Warum sollen Erwerbslose und arme Leute ein schlechteres Leben führen, als Arbeiter, Angestellte, Selbstständige etc.? Weil sie weniger leisten, heißt es. Aber leistet ein Angestellter in einem Atomkraftwerk oder ein Börsenspekulant gesellschaftlich gesehen wirklich mehr als ein Erwerbsloser?

Erwerbslose betätigen sich, wenn es das Arbeitsamt oder Jobcenter zulässt, in vielfältiger Weise: sie sind aktiv in Sportvereinen, in künstlerischen Initiativen, auf politischem Gebiet, in der Erziehungsarbeit, tüfteln an ökologischen und technischen Aufgabenstellungen, befinden sich in einer Muße zwischen Entspannung und kreativer Anspannung usw. Das heißt, sie leisten ebenfalls etwas für die Gesellschaft, werden aber, im Vergleich mit Erwerbsarbeit, abgewertet. Längst hat der alte Arbeitsbegriff abgewirtschaftet (kaum jemand schafft es noch, von der Lehre bis zur Rente ununterbrochen erwerbsarbeitend zu sein). Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland lebt nicht von Lohnarbeit. Und dennoch bricht das gesellschaftliche Leben nicht zusammen. Die enorme Arbeitsproduktivität (dank Automatisierung und Technisierung) lässt Produkte in immer weniger Zeit, mit immer weniger Menschen herstellen. Der dabei entstehende gesellschaftliche Reichtum, bleibt allerdings nur in wenigen Händen. Zusammengehalten wird die Gesellschaft eben auch dadurch, dass viele Köpfe und Hände (besonders von Erwerbslosen und anderen) in den Bereichen außerhalb der Lohnarbeit tätig sind. Das heißt, die Frage welche Leistung ist mehr wert, lässt sich kaum mehr klar benennen. Von daher kann die Frage: Was braucht der Mensch zum Leben? auch nicht nach zweierlei Maß (hier der Mensch ohne und dort der Mensch mit Erwerbsarbeit) bestimmt werden.

Wurden wir früher genötigt bescheiden zu sein, so wollen wir heute ein gutes Leben, auch ohne Lohnarbeit führen. Die bisherigen Regelsatzforderungen sind meist noch zu gering (egal ob 440 € oder 500 €). Indem sie sich die herrschende Regelsatzableitung* zu eigen machen, kommen sie auf geringe Erhöhungen und dokumentieren nur ihre eigene Kraftlosigkeit bzw. fragen nicht danach, was notwendig wäre.

"Alles muss man selber machen: Sozialen Fortschritt erkämpfen!" war eine Parole der letzten Studentendemonstrationen. Vielleicht sollten wir selbst, in eigenen Veranstaltungen, mit eigenen Methoden einen Kriterien und Inhalte für ein gutes Leben entwickeln. Diese würden sicherlich anders ausfallen, als der aktuelle Regelsatz. Damit hätten wir einen Betrag, der sich an unserem tatsächlichen Bedarf orientiert und der nicht von herrschaftsgeleiteten Institutionen oder dafür bezahlten Wissenschaftlern zusammengestellt wird, sondern von Betroffenen!

( Ergebnis der AG "Was braucht der Mensch zum Leben" auf dem Bundestreffen, Harald Rein)