Informationen der BAG prekäre Lebenslagen für Mitglieder und Interessierte

Elektronischer Rundbrief-Extra Nr. 9/2010,
Herausgeber BAG-Prekäre Lebenslagen — www.bag-plesa.de
c/o Hans-Jürgen Reglitzki
Hauptstr. 16; 49696 Molbergen,
Tel.: 04475 — 32 99 828, Mobil: 0162 — 746 46 16


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Themen:
1. Die außerordentliche Mitgliederversammlung der BAG Prekäre Lebenslagen
2. Eindrücke vom Bundestreffen in Düsseldorf
3. Neue Homepage der BAG Prekäre Lebenslagen

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Liebe Leserinnen und liebe Leser!

Lange habt ihr nichts von uns gehört und nun wollen wir gleich in zwei aufeinander folgenden Rundbriefen in eigener Angelegenheit bei euch vorstellig werden. Wir treten aus dem Schattendasein unserer 1,5 jährigen Gründungsphase heraus. Neue Vereine akzeptieren uns als bundesweite Dachorganisation der Menschen in prekären Lebenslagen und wollen mit streiten, alte Gruppen rücken wieder näher und beteiligen sich an der Diskussion. Im Folgenden ein Ausschnitt von unserem Bundestreffen und unsere Mitgliederversammlung in Düsseldorf.

Wir haben eine neue Homepage, www.bag-plesa.de. Auch bei unserem Rundbrief seid ihr herzlich eingeladen, mit zu tun und mit zu schreiben. Also bitte nutzt die Gelegenheit für Anregungen, Fragen und Kritik.

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1. Die außerordentliche Mitgliederversammlung der BAG Prekäre Lebenslagen

Eine außerordentliche Mitgliederversammlung der Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen — Gegen Einkommensarmut und soziale Ausgrenzung e. V. fand am 14., 15. und 16. Mai 2010 in Düsseldorf statt.

Einrichtung einer Geschäftsstelle der BAG
Der vorgesehene Aufbau einer Geschäftsstelle der BAG hat sich aus finanziellen Gründen nicht realisieren lassen. Bis Anfang Mai 2010 waren aufgrund einer Haushaltssperre die bewilligten Bundesmittel nicht geflossen. Im Bewilligungsbescheid des BMAS sind Abrechnungsauflagen enthalten, die zeitraubend sind und ein "Spezialistentum" fördern. Es wurden Beispiele zur Verdeutlichung, dass die Autonomie der politischen Arbeit beschädigt werden kann, aus den Nebenbestimmungen der Auflagen des BMAS vorgetragen. Ein Beispiel war: "Eine Informationsbroschüre, deren Einstellung die BAG-PLESA plant, wird gefördert, wenn diese Broschüre den Schwerpunkt der Information auf die Förderung der Selbsthilfeinitiativen legt und das entsprechende Rüstzeug für ehrenamtlich tätig engagierte Bürger vermittelt." Nach heftiger Diskussion erfolgte der Beschluss, dass die BAG keine Ministeriumsgelder für 2010 annimmt, und somit auf den Aufbau einer Geschäftsstelle verzichtet.

Ein Bericht zur personellen Besetzung des Vorstandes
Der aktuelle Vorstand bestand in Düsseldorf nur noch aus Michael Wengorz und Ralf Berger. Ausgeschieden waren Anne Eberle, Rainer Karaseferian und Jürgen Habich. Auf Grund der noch ausstehenden Berichte dieser Vorstände sah sich die Mitgliederversammlung außerstande, den Vorstand für 2009 zu entlasten. Da die Versammlung beschlossen hatte den Vorstand auf maximal 5 Personen zu begrenzen, kam es nun zu Nachwahlen. Es wurden folgende drei Vorstände nachgewählt: Hans-Jürgen Reglitzki/Gegenwind e.V., Hinrich Garms/Offenbach a.M. und Claudia Kratzsch/Berlin.

Dem Vorstand zur Seite gestellt ist eine Koordinierungsgruppe. Dieser besteht nun aus Anne Eberle (Dortmund); Ulrike Gieselmann (Bielefeld); Lutz Heller (Landau); Norbert Hermann (Bochum); Jochen Peiler (Hannover); Wolfram Otto (Kiel), Harald Thomé und Frank Jäger (beide Wuppertal).
Dieses Gremium hat die Aufgabe, den Vorstand zu kontrollieren, zu beraten, zur Entscheidungsfindung beizutragen und bei der Arbeit zu unterstützen. Zudem sollen die Mitglieder der Ko-Gruppe regional den Kontakt zu den Initiativen und Gruppen herzustellen und politisch wirken.

Rundbrief Extra
Unser elektronischer Rundbrief soll zukünftig im Team gestaltet werden, bestehend aus einem breiten regionalen Spektrum an Gruppen. Im Rundbrief sollen die Aktion und Proteste der Initiativen, ein Gesicht bekommen. Der Rundbrief kann eine Plattform zum Austausch von Argumenten zu Forderungen sein, eine Sachauseinandersetzung um die "soziale Frage" sein. Ein solidarischer Austausch und sich gegenseitig Mut zu machen und wie schaffen wir unser eigenes mediales Bild, stellen uns selber dar. Der Rundbrief ist Ort von Unterstützungsaufrufe und soll helfen Vernetzung leichter zu ermöglichen.

Bundesweite Vernetzung
Die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS, www.erwerbslos.de) organisiert Aktionen und koordiniert Kampagnen von Erwerbslosenprojekten. Sie versteht sich als Scharnier zwischen Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiativen. Vertreten haben die BAG bisher Jürgen Habich und Claudia Kratzsch. Jürgen Habich hat seine Mitarbeit Anfang 2010 eingestellt. Teilnehmende an den Treffen der KOS sind in der Regel: Tacheles e.V. (Frank Jäger), ABSP (Edgar Schu) Elo-Forum (Martin Behrsing), Vertreterinnen der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg und die BAG Prekäre Lebenslagen.
Die derzeitige Debatte geht um die Regelsatzhöhe und hier konkret den Ernährungsanteil. Nach dem Auftrag, vom Bundesverfassungsgericht, an die Bundesregierung sollten und sind Initiativen vor Ort in der Debatte um die Mindestanforderungen an einen Regelsätze aktiv. Gefordert wird ein Einkommen für alle, das auch für eine gesunde Ernährung ausreicht. Dazu müsste der Eckregelsatz wenigstens 80 Euro mehr enthalten. Für die Aktivitäten plant die KOS die Herausgabe einer Massenzeitung als Eingriffsmöglichkeit für die regionale Mobilisierung und regionalen/überregionalen Proteste um die Regelsatzdebatte.
Die Versammlung schlägt Harald Rein, FALZ, zum mitarbeitenden Redakteur und Autor der BAG-PLESA für die Mitarbeit an der Massenzeitung vor. Die Abstimmung zur Entsendung für die Zeitschrift ergab eine Mehrheit ja und zwei Enthaltungen.
Delegierte in der KOS sind Jochen Peiler und Claudia Kratzsch.

Bericht Bündnis für ein Sanktionsmoratorium
Angelika Wernick berichtet über den aktuellen Stand und wird fortlaufend über Neuerungen und Veränderungen informieren. Aktuelle Entwicklungen können auch der Homepage des Bündnisses für ein Sanktionsmoratorium (Rubrik "Erfreuliches & Aktuelles") entnommen werden. (Infos unter www.sanktionsmoratorium.de)

Weitere Berichte (Werkstatt sozial/politische Bewegungen) und das gesamte Protokoll der Mitgliederversammlung sind auf der neuen Homepage unter www.bag-plesa.de dokumentiert.

Nationale Armutskonferenz (NAK), European Anti-Poverty Network (EAPN)
Es lag ein Antrag zur Abwahl der bisherigen Delegierten der NAK/EAPN (Jürgen Habich, Andreas Geiger) vor. Es lag kein Arbeitsbericht der beiden Delegierten vor. Der Antrag einer Abwahl der Beiden wurde mit einer Enthaltung angenommen
Darauf folgte die Nachwahl der Delegierten zur NAK. Gewählt wurden Wolfram Otto/Kiel, Thomas Lindlmair/Rosenheim, Burkhart Stüwe/Geretsried und Lutz Heller/Landau.
In diesem Zusammenhang erfolgte ein Diskussion zur Berichtspflicht und inhaltlichen Absprache aller Delegierten der BAG-Plesa mit dem Ergebnis, allen Delegierten, die im Namen der BAG-Prekäre Lebenslagen aktiv werden, ausschließlich ein imperatives Mandat zu erteilen. Das waren die Lehren, die aus den vergangenen Jahren zu ziehen waren

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2. Eindrücke vom Bundestreffen

Unter anderem mit einer Skizze der Ergebnisse der AG 1 "Recht auf Wohnen, Recht auf Stadt" vom Bundestreffen in Düsseldorf.

Ich war gestern bei dem jährlichen Bundestreffen der BAG Prekäre Lebenslagen (früher BAG SHI) in Düsseldorf. Schwerpunkte waren

I. der Kampf gegen Sanktionen im SGB

II. die schleichende, aber dramatischen Durchsetzung von "Workfare" (Leistungen nur wenn man dafür für Hungerlöhne arbeitet) durch 1-Euro-Jobs. Die Angriffe auf den 1. Arbeitsmarkt sind noch lange nicht beendet, auch wenn die Verdrängung tariflicher Arbeitsplätze vor allem auf der kommunalen Ebene (im Bereich des GALA. BAus schon sehr umfassend, Übermittlungsbetreuung in Schulen..., Ordnungsdienste...) bereits großen Umfang angenommen hat. Ziel einflussreicher Staatbeamter und "Berater" aus konservativen wie aus sozialdemokratischen Thinktanks ist eindeutig die geschickte Übertragung des USA-Modells auf Deutschland. Das bedeutet im Endeffekt eine dauerhafter Angriff auf die Löhne, die Selbstverwaltung einer ausgegrenzten Armut (Tafeln z.B. und 1 Euro Ordnungsdienste sind der Einstieg) und auch eine in den Argen bereits institutionalisierte Psychatrisierung der Erwerbslosigkeit (wer nach all den Repressalien immer noch nicht arbeitet muss krank sein). Aus den Niederlanden sind bereits Modelle moderner "Arbeitshäuser" auf dem Weg zu uns.

III. "nur Kosten der Unterkunft oder auch Recht auf Stadt?".
In einer Arbeitsgruppe zum Thema KdU und Recht auf die Stadt wurden diskutiert

1.die unmittelbaren Wirkungen (Zwangsumzüge, eingeschränkte Umzugsmöglichkeiten und Mietrechte, Wohnungslosigkeit U 25 usw.) und drohenden Verschärfungen der Hartz IV-Regelungen (u.a. Pauschalierung) für die Wohnungsversorgung und die Wohnrechte der Betroffenen,

2. die Auswirkungen und Wechselwirkungen von Hartz IV auf/mit der sozialräumlichen Spaltung in unseren Städten. Also z.B. Verschärfung der Abdrängung aus Gentrifizierung-Vierteln (Berlin z.B.), zunehmende Entwicklung von Brennpunkten der Armut gerade auch in Wohnungsbeständen der "Heuschrecken", in der Folge Verschärfung der Kontrolle durch u.a. 1-Euro-Ordnungsdienste usw.

3. Inhalte des "Rechts auf die Stadt" aus der Sicht der Erwerbslosen.

Es wurde begonnen, Inhalte für ein "Manifest" "Das Recht der Erwerbslosen auf die Stadt" zu erarbeiten.

Zu dem Recht der Erwerbslosen auf die Stadt gehört natürlich zunächst das Recht, in der angestammten Wohnung und/oder dem Wohnviertel zu bleiben und das Recht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zum gesamten Wohnungsmarkt, d.h. die freie Wohnungswahl, die nicht dazu zwingt, in die miesesten Hütten zu ziehen.

Darüber hinaus geht aber auch um den kostenfreien oder bezahlbaren Zugang zur gesamten öffentlichen und kommunalen Infrastruktur: (die auch deshalb nicht privatisiert werden darf) öffentlicher Verkehr (Sozialticket als Einstieg), Bildung, Kultur (Museen, Bibliotheken usw.), nicht-kommerzielle öffentliche Räume (z.B. nichtkommerzielle "Biergärten" auch in touristischen Zonen, wo man sich selber was mitbringen kann, auch so Details wie kostenlose öffentliche Toiletten oder Trinkwasserspender) , selbstorganisierte Freiräume (Recht auf Besetzung/Aneignung), kommunale Versorgung. Hier wurde u.a. eine begonnen eine "Soziale Tarifreform" beim Wasser zu diskutieren. Ein Grundkontingent an Trinkwasser (für Grundbedürfnisse zum Trinken, Kochen, Waschen) wird allen umsonst oder zu einem sehr geringen Tarif zur Verfügung gestellt. Bei steigendem Verbrauch pro Kopf (Swimmingpools, häufiges Duschen, Autowäsche, Sprengen des englischen Rasens usw.) steigt der Tarif über die jetzige Höhe.

Neben solchen Zielen müssen natürlich auch Aktionsformen der Aneignung des Stadtraums durch / unter Einschluss der Erwerbslosen weiter entwickelt werden. Die - breiteren - Bewegungen für das Recht auf Stadt - z.B. Basta Witten - bilden eine Chance, die Reproduktion der Isolation der Erwerbslosen in den sozialen Bewegungen zu überwinden.

Hier gibt es freilich gewaltige Unterscheide zwischen großen Städten und ländlichen Räumen. Auch zu ländlichen Räumen gab es aber neue Aktionsideen. Z.B. eine richtige Erwerbslosen-Pilgerfahrt in den katholischen Pilgerort Kevelaer am Niederrhein.

Es gibt sicher Impulse für basta! auch in Witten.

Knut Unger

In der Arbeitsgruppe wurde das folgende Papier erarbeitet:

+++ Manifest der Erwerbslosen für ein Recht auf Stadt +++

Wir fordern: Das Recht, die Fülle der Stadt zu genießen.
Der Verkauf unserer Innenstädte schreitet voran und damit verändern sich die Wohn- Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger und von uns Erwerbslosen und Prekären drastisch. Die Folge: Es wird zunehmend schwieriger am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Zukünftig sollen nur noch die sogenannten Leistungsträger vom Umbau und dem Ausverkauf unser Städte profitieren. Gesellschaftlich abgehängt werden dabei Kinder, Jugendliche, Kranke, Alte, Menschen mit Behinderung, prekär Beschäftigte, MigrantInnen und alleinerziehende Frauen und Männer. Wir wenden uns dagegen, dass alles für die Kaufkraft und nichts für die Interessen der hier lebenden Menschen getan wird. Denn ein Recht auf Stadt bedeutet freie Teilhabe am kulturellen Leben

Deshalb fordern wir:
Mehr als ein Dach überm Kopf - gesunde Wohnungen, die bezahlbar sein müssen, nicht in Ghettos liegen, und nicht vom sozialen und kulturellen Leben der Stadt ausgrenzen.
Das Recht in der angestammten Wohnung zu bleiben und ein damit verbundenes Recht auf freie Wohnungswahl und dem Recht auf Bleibe für Alle
Recht auf Zuzug für Alle, die hier leben wollen, insbesondere für Migranten aus dem nicht EU-Ausland. Freier Zugang zu den Ressourcen unserer Stadt
- Kulturelle Einrichtungen
- ÖPNV
- gastronomische Einrichtungen (Bayrische Biergartenverordnung)
- Kostenlose Bibliotheknutzung, Schwimmbäder, Theater, Museen, etc..
- Zugang zu öffentlichen Gütern und Daseinsvorsorge

Wir schließen uns dem Deutschen Städte- und Gemeindebund an und fordern freien Zugang zu Schwimmbädern, Bibliotheken, Museen, Theatern, etc. für Kinder in prekären Verhältnissen/ aus Hartz IV Familien.

- Nicht kommerzielle öffentliche Räume
- Kostenlose Basisversorgung der Privathaushalte mit Trinkwasser und öffentliche Trinkstellen
- Kostenlose öffentliche Toiletten
- Rücknahme von Privatisierungen und Verbot von PPP und Cross-Border-Leasing-Projekten
- Kostenloser Zugang zu Gesundheitszentren
- Geburtshäuser mit Hebammen in jedem Stadtteil
- Weiterentwicklung von Schulzentren und Rathäusern zu Stadtteilzentren mit unabhängigen Jugendzentren und/oder Bürgerzentren mit freiem Internetzugang
- Selbstverwaltete Straßenhilfe
- Das Recht, spekulativ leer stehende Wohnhäuser zu nutzen sowie eine zur Verfügung Stellung von kommunalem Land z.B. für Gemeinschaftsgärten (Almende)
- Das Recht, Miete zu mindern und den geminderten Anteil zu behalten, keinen weiteren Verkauf von öffentlich gebauten Häusern, aber verstärkten Ausbau des sozialen Wohnungsbaus
- Mietpreisbindung
- Verkehrsvermeidende Infrastruktur, Entschleunigung
- Geschützte Räume, Frauen, Migranten ohne Papiere
- Kein Verkauf von öffentlichen Wohnugen
- Gemeinschaftsschulen für Alle, die gleichzeitig als Stadtteilzentrum fungiert. (Schule muss sich öffnen für alle BürgerInnen)
- Selbstverwaltete Strukturen, Übereignung an die Kommunen und Städte von Grund und Boden, Gewässern und Seen und keine neue Versiegelung von Grünflächen
- Barriere freien Zugang zu Allem (physisch, psychisch, sprachlich)
- Die Vollarbeitszeit wird herabgesetzt, damit die Partizipation und demokratische Kontrolle von unten am kommunalen Leben in den selbstverwalteten Strukturen ermöglicht wird.
- Gegen die geplante Pauschalierung der Kosten für Unterkunft
- Übernahmen der tatsächlichen Kosten für Unterkunft plus Heizkosten

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3. Neue Hompage der BAG Prekäre Lebenslagen

Die BAG hat jetzt eine neue Homepage unter der URL www.bag-plesa.de. Die ALTE Seite unter www.bag-shi.de dient fortan als Archiv.