10.4.2020

Elektronischer Rundbrief Nr. 72/2020

KLEINER CORANA - EXTRA - RUNDBRIEF

Das Land befindet sich fest in Händen der „Corona-Krise“.

Das soziale und wirtschaftliche Leben steht in großen Teilen still.

Aufgrund des Wegfalls von Aufträgen und Arbeitsplätzen werden deutlich mehr Menschen als bislang auf staatliche Leistungen angewiesen sein - und sei es nur für eine Übergangszeit. Denn neben den Menschen, die bereits jetzt Sozialleistungen beziehen (SGB II / SGB XII / AsylG / KIZ / WoGG), werden auch Selbständige, Künstler*innen, Geringverdienende, Minijobber*innen und durch die Corona-Krise wirtschaftlich Strauchelnde auf soziale Leistungen der Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung angewiesen sein“, schreibt Tacheles e.V. und veröffentlicht ein umfangreiches Forderungspaket mit Vorschlägen zum Umgang mit der Corona-Krise für einkommensschwache Haushalte (https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2626/).

Die Bundesregierung verabschiedet ein „Sozial-Schutz-Paket“, das nicht wenige der Forderungen aufnimmt. Auch ein Corona-Soforthilfe-Programm für Kleinunternehmen wird aufgelegt.

Ausführliche Informationen und Beratungstipps zu den gesetzlichen Änderungen sind auf den Internetseiten des Vereins Widerspruch e.V.

(http://www.widerspruch-sozialberatung.de/dat/aktuelles.html) und der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg

(http://www.also-zentrum.de) - dort auch in mehreren Sprachen - veröffentlicht.

Aber viele Fragen bleiben offen.

Die Regale mit den günstigsten Angeboten in den Supermärkten sind leergekauft, viele „Tafeln“ sind geschlossen und kostenloses Mittagessen in der Schule gibt es nicht mehr - warum findet sich dann im Sozial-Schutz-Paket keine Erhöhung der Regelsätze oder ein „Corona-Mehrbedarf“ für Hartz IV- und Sozialhilfe-Bezieher*innen? Um den Kontakt zum Jobcenter reduzieren zu können, wird bei ALG II - Neuanträgen beispielsweise auf eine Vermögensprüfung derzeit verzichtet - aber warum werden dann Menschen, die bereits ALG II beziehen, verstärkt zur Mitwirkung beim Nachweis ihres Einkommens herangezogen?

Viele Beratungsstellen machen dicht und/oder freunden sich mit Skype und Videomedien an, gerade jetzt, wo menschliche Begegnungen am ehesten gebraucht werden.

Dies alles geschieht aus Angst vor der Ausbreitung des Corona-Virus.

Aber was mir Angst macht, ist die Erkenntnis, wie wenig wir als demokratische Gesellschaft mit Krisensituationen umgehen können. Wie schnell wir zu angstgetriebenen Entscheidungen bereit sind, wie kopflos auch unsere gewählten Politiker agieren“, wird die Schriftstellerin Juli Zeh zitiert in dem Papier "Zur CoronaEpidemie - So einfach ist es nicht!“ (http://www.widerspruch-sozialberatung.de/dat/aktuelles.html), das ausdrücklich zur Aufklärung und zum Diskurs in der jetzigen Corona-Krise beitragen soll.

Die Ausbreitung des Virus kann nicht verhindert werden, aber sie soll verlangsamt werden, um einen möglichen Kollaps des Gesundheitssystems zu vermeiden.

Die Bundesregierung mahnt daher Solidarität an und gewährt Pflegekräften eine Sonderzahlung von 1.500 € - den Pflegehilfskräften und den Auszubildenden allerdings nur 900 €. Wäre es nicht richtiger, die Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich (und in allen systemrelevanten Berufen) grundsätzlich zu verbessern und allen Beschäftigten einen angemessenen Lohn zu zahlen, der auch eine auskömmliche Rente garantiert?

Es gibt ein Sonderprogramm zur Unterstützung der Wirtschaft, um wieder mehr Medizinprodukte im eigenen Land zu produzieren und den Gesundheitsbereich zu stärken. VW will keine Diesel-Autos mehr bauen, sondern Beatmungsgeräte. Wie passt es dazu, dass die Bertelsmann-Stiftung ihre Klinik-Studie vom Sommer 2019 - wonach die Verringerung der Anzahl der Kliniken von aktuell knapp 1.400 auf unter 600 Häuser die Versorgung für Patienten verbessern würde - trotz Corona-Krise verteidigen kann, ohne öffentlichen Widerspruch zu ernten?

Grosse Betriebe - vorneweg die gebeutelte Autoindustrie - melden Kurzarbeit an; d.h. alle sollen zuhause bleiben und nichts machen - außer den Schulunterricht für ihre Kinder zu ersetzen, falls sie welche haben. Betriebliche Vertretungen sind außer Kraft gesetzt.

Aber Spargelstecher*innen werden zu Niedriglohn mit Sondermaschinen eingeflogen - während Geflüchtete weiterhin in Krisengebiete abgeschoben werden (https://www.fr.de/meinung/corona-krise-erntehelfer-deutscher-gruendlichkeit-haben-13645620.html).

All die widersprüchlichen Krisen-Maßnahmen, die Verlautbarungen der Politik und die derzeitige Medienberichterstattung erzeugen bei den Menschen Angst und bringen sie dazu, die drastische Einschränkung ihrer Freiheitsrechte als alternativlos anzunehmen und klaglos zu akzeptieren.

Aber muss das so sein, nur um die Verhinderung der Ausbreitung des Virus zu erreichen? Die ARTE-Doku 'Profiteure der Angst' (https://www.youtube.com/watch?v=1--c2SBYlMY) ist dieser Fragestellung 2009 anlässlich der Schweinegrippe-Pandemie nachgegangen.

Ist es wichtig, dass die Fussball-Bundesliga wieder Geisterspiele veranstaltet ?
Oder ist es doch wichtiger, dass in baldiger Zukunft wieder Sozialberatung, Begleitung sowie Demonstrationen und andere öffentliche politische Versammlungen stattfinden können?

Einige Berliner Aktivist*innen jedenfalls meinen: ja (https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/sendung-vom-6-april-2020-100.html)

Andere brauchen noch Zeit für Antworten.


Nutzt die Zeit und haltet durch!

Eure BAG PLESA


PS: Um trotz Kontaktsperre Informationen auszutauschen, Verbundenheit und Solidaritaet ueber die Betriebe und einzelnen Arbeitsplaetze hinaus herzustellen wurde von dem express gemeinsam mit anderen Initiativen ein neuer Blog Corona@Work eingerichtet