Elektronischer Rundbrief Nr. 58/2013, 27. Mai 2013 V.i.S.d.P. Hinrich Garms Der Rundbrief kann abonniert werden unter:
Stereotype Bilder über „Arbeitsbevölkerung, die sich passiv alimentieren ließe“, prägen Denk- und Sehweisen der Mitarbeiter_innen der Jobcenter. Wozu ein u.a. daraus sich ergebendes Klima gesellschaftlichen Hasses gegen die „alimentierte Arbeitsbevölkerung“ Behördenmitarbeiter befähigt, zeigt das Beispiel eines Essener Mannes[1], der zur Arbeit geschickt wurde und dabei fast einem Herzinfarkt erlegen wäre. Er ging unter Zwang zur Arbeit. „(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar“ (§ 10 SGB II). Die Geschichte des Essener Opfers erinnert an die Legende vom toten Soldaten[2], es gibt keinen Frieden. Sollten wir aber bei Lohnarbeit überhaupt von Freiwilligkeit reden? Zum einen belegen die Zwangsarbeitslosen, dass es zu wenige, die Existenz sichernde Arbeit gibt. Ein Mensch, den wirtschaftlichen Verhältnissen in Bulgarien entflohen, schaffte in Frankfurt-Höchst auf dem Bau als Werkverträgler. Nach einem schweren Arbeitsunfall wurde ihm gekündigt und in Folge verliert er seine Wohnung. Weil nicht geklärt werden konnte, wer die Krankenkosten übernimmt, wurde dieser Mann nur notdürftig medizinisch versorgt. Ein öffentliches Gesundheitswesen, das allen Menschen zusteht, gibt es nicht in diesem Land. Der Subunternehmer auf der Großbaustelle, der den Mann als sogenannten Scheinselbstständigen beschäftigte, ist mittlerweile untergetaucht. Der Druck auf Einwanderinnen, jede Arbeit anzunehmen, ist extrem, für Leistungsberechtigte nach Hartz IV wird er weiter mit Einbindung der Leiharbeit u.a. gesteigert. Kommt es zu Aktionen gegen Einrichtungen der Bürokratie, werden diese als „feige Anschläge aufs schärfste verurteilt“[3]. Symbolische Aktionen auf leer stehende Jobcentergebäude können Zusammenhänge von Niedriglohn und Jobcenter aufzeigen. Kommentierende Innensenatoren riskieren ausschließlich eine dicke Lippe, die Akteure solcher Aktionen eine Strafverfolgung. .....Und wir, wir veranstalten wieder eine Fachtagung. Am 21. bis 23. Juni wird sie im Naturfreundehaus im Norden Hannovers stattfinden. Diese ist für alle, die wir uns in unserem täglichen Leben Raum schaffen, ungeachtet unserer Unterschiede, um Widerständigkeit gegen das aufgeladene gesellschaftliche Klima und die prinzipielle Existenzunsicherheit zu organisieren. In vielen lokalen Zusammenschlüssen von Erwerbslosen und Niedriglöhner_innen vor Ort werden die unterschiedlichen subjektiven Erfahrungen mit Aggressionen und der begleitenden Verabschiedung von Bürgerrechten seitens der JobCenter (Mitarbeiter_innen) sowie die konkreten Lebens- und Reproduktionsbedingungen von Erwerbslosen und Niedriglöhnerinnen zusammengetragen. Ein Schwerpunkt der Tagung in Hannover ist deshalb das Feld des Beratens und Begleitens, der praktischen gegenseitigen Solidarität. Moderiert wird dieser Bereich von der Erwerbslosenaktivistin Karpfen von der Erwerbsloseninitiative BASTA! aus Berlin. Im Rahmen der Öffnungszeiten macht sie einmal die Woche Beratung und ist auch als Beistand nach § 13 Abs. 4 SGB X auf den Berliner Jobcentern, bei „Hausbesuchen“ und zum medizinischen Dienst unterwegs. Danach wollen wir unsere Aussprache zu Forderungen und Politiken der Erwerbslosenbewegung weiterführen. Hier geht es uns darum, die möglichen Politiken jenseits der Auseinandersetzungen „von Angesicht zu Angesicht“, die Erfahrungen der Erwerbslosenbewegung auf überörtlicher Ebene zu reflektieren. Wir freuen uns auf eure Anmeldung. Wie ihr euch anmelden könnt, ist hier erklärt. Fahrtkosten können weitestgehend übernommen werden. http://bag-plesa.de/veranstaltungen/ [1] http://www1.wdr.de/fernsehen/aks/themen/dritterherzinfarkt100.html [2] http://www.youtube.com/watch?v=enp9BJBnzLk [3] http://www.tagesspiegel.de/berlin/gewaltausbruch-nach-friedlichem-1-mai-linksextreme-bekennen-sich-zu-den-anschlaegen-auf-jobcenter/8159288.html |