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http://www.bag-plesa.de/rundbrief/2012/rundbrief-extra-2012-53.pdf
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Elektronischer Rundbrief Nr. 53/2012, 29.01.2012
Herausgeber BAG-Prekäre Lebenslagen - www.bag-plesa.de
c/o Michael Wengorz - Str. der Befreiung 14 - 06128 Halle
vorstand (at) bag-plesa.de
Tel.: 0345 / 44 56 150, mobil: 0177 - 38 71 430

V.i.S.d.P.: Michael Wengorz

Der Rundbrief kann abonniert werden unter:
https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/bag-plesa_rundbrief_extra
Herausgeber BAG-Prekäre Lebenslagen - www.bag-plesa.de

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Vorwort:

Liebe Freunde und Freundinnen des Rundbriefes der BAG-Plesa,

im Folgenden möchten wir Euch den Bericht der ALSO- Oldenburg zum Thema „Wir haben nicht satt - Krach statt Kohldampf" am 21. Januar in Berlin vorstellen.

Als Erwerbslosenblock waren wir (z.B. aus dem Krach schlagen Bündnis, Herforder Erwerbslose, Hannoveraner Erwerbslose) Teil des Protestes am 21.Januar in Berlin.
Aber warum sollten Erwerbslose ihre Stimme nicht auch dort erheben, wenn sie Wege aus der sozialen wie auch aus der ökologischen Krise suchen.

Zarte Ansätze strategischer Bündnisse gibt es bundesweit. Zu nennen wären hier Wassertische, Stromtische zur Re-Kommunalisierung der Netze und Leitungen und Schaffung von dezentralen erneuerbaren Energiekonzepten. Erwerbslose beteiligten sich im 2. Jahr unter dem Slogan „Wir haben nicht satt" auf der Demo gegen Agrobusiness, Gentechnik, Massentierhaltung zusammen mit entwicklungspolitischen Gruppen, Bauern und Bäuerinnen, Tierschützerinnen und anderen.

Lebensnotwendige Nahrungssicherheit könnte weltweit u.a. durch eine gentechnikfreie regional versorgende Landwirtschaft und einem Stopp der Subventionen für das Agrobusiness ermöglicht werden.

Der Protest gegen die industrielle Landwirtschaft eint diese vielleicht ungewohnt anmutenden Verbündeten, einerseits die ökologisch Bewegten und andererseits die sozial Bewegten.

So fordern Erwerbslose zusammen mit den Bauern/ProduzentInnen die Ermöglichung gentechnikfreier Nahrungsmittel angebaut in ökologisch dezentraler Landwirtschaft. Und das in allen Gesellschaften zu fairen Löhnen und fairen Preisen für die Erwerbslose und die Bäuerin. Dazu bedarf es eines radikalen Wandels.

Viel Spaß beim Lesen und neue Bündnisse schmieden

Claudia


Beitrag der ALSO zur Kundgebung der Demonstration «Bauernhöfe statt Agrarfabriken», 21. Jan. 2012 in Berlin
(Link auf den Originalflyer
http://www.bag-plesa.de/ArtikelArchiv/2012-01-21/REDE%20ALSO%20Demo%2021_1_2012.pdf)

Moin, moin, an alle,

ich komme von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg, der ALSO.

Die ALSO ist eine Selbstorganisation von Menschen mit geringem Einkommen. Wir betreiben ein Arbeitslosenzentrum, unterstützen uns gegenseitig und andere, denen Hartz-IV-Ämter oder Arbeitgeber Schwierigkeiten machen. Wir mischen uns mit politischen Veranstaltungen und Aktionen überall dort ein, wo es richtig und nötig ist – und wo wir es schaffen … und seit gut zwei Jahren machen wir das immer öfter zusammen mit Milchbauern unserer Region.

So haben wir z. B. zusammen eine lautstarke Demo in Oldenburg auf die Beine gestellt, eine Konferenz der CDU-Landtagsfraktion sowie Veranstaltungen von BAUERNVERBAND bzw. LANDVOLK aufgesucht, mit unseren Flyern, Transparenten, Treckern und unseren guten Argumenten. Wir haben diese Treffen aufgesucht ohne uns groß bitten zu lassen. Es gab immer viel Spaß – zumindest auf unserer Seite.

Auf der anderen Seite, bei CDU und BAUERNVERBAND, gab's eher lange Gesichter. Diesen Gesichtern stand immer wieder eine Frage wie ins Gesicht gemeißelt:

Was um drei Teufels Namen führt Bauern und Arbeitslose zusammen?

Die Antwort geben Funktionäre von LANDVOLK und BAUERNVERBAND mit der Parole «Der Verbraucher will billig!» quasi selbst. Sie wollen allen weismachen, es gäbe keine Alternative zur Agroindustrialisierung der Landwirtschaft!

Wer sich ansieht, was das Leben, was Wohnen, Heizen, Kleidung, Mobilität, Gesundheit, Bildung tatsächlich kosten und wie gering Niedriglöhne und Hartz-IV-Sätze oder gar die Leistungen für Flüchtlinge sind, könnte dem BAUERNVERBAND nun beinahe Recht geben und meinen, agroindustrielle Billigproduktion sei gut für Einkommensarme.
Denn wer wöchentlich nur 30 bis 40 Euro (oder noch weniger) für Lebensmittel und Getränke hat, braucht Billigstangebote für die Ernährung – und ganz viel Zeit für Einkauf und Zubereitung. Das sagen uns unsere eigenen Erfahrungen, das sagen wissenschaftliche Untersuchungen.
Diese Billignahrung kommt viele teuer zu stehen: sie kostet Bauern ihre Höfe und Beschäftigte in Lebensmittelindustrie oder -handel auskömmliche Einkommen. Wer dort arbeitet und Kinder hat, kann mit dem Arbeitsvertrag meist gleich den Hartz-IV-Antrag ausfüllen. Wer das bedenkt, dem kann GUT UND GÜNSTIG im Hals stecken bleiben.

In Oldenburg kämpfen wir – Bauern und Erwerbslose – daher zusammen für faire Hartz-IV-Sätze, faire Löhne und einen fairen Preis für die faire Milch … damit sich alle wirklich fair produzierte und gehandelte Güter leisten können und auch Bäuerinnen und Bauern gut leben können. In unserem Austausch haben wir zudem gelernt, dass wir viel gemeinsam haben:

Beide werden wir abhängig gehalten von Staatsknete und den damit verbundenen Schikanen.
– Was dem Bauern die EU-Subventionen, ist uns Hartz IV. Was bei den meisten Menschen mit geringen Einkommen ganz offen Sozialhilfe genannt wird, heißt in der Landwirtschaft etwas chicer„Subvention“.
– Was dem Bauern die Kontrollen auf dem Hof, sind bei Hartz IV die unangemeldeten Hausbesuche des Schnüffeldienstes vom JOBCENTER.
– Was bei Fehlern auf dem Bauernhof die Abschläge bei den EU-Subventionen sind, sind bei Hartz IV die Kürzung oder gar gleich die komplette Streichung des Geldes für Lebensunterhalt und Unterkunft.

Und beide, die sanktioniert werden, Bauern und Erwerbslose, erleben,
… dass die Sanktionsgründe häufig frei erfunden oder an irgendwelchen Haaren herbeigezogen sind,
… dass es oft beinahe unmöglich ist, die Sanktionen abzuwehren, wie ungerecht auch immer sie sein mögen.

Und ähnlich wie Bäuerinnen und Bauern oft erst nach Wochen, Monaten oder zum Ende
des Jahres erfahren, welches Geld sie für ihre Arbeit bekommen, erfahren Geringverdienende
oft erst nach Monaten aus Berichten zum neusten Lebensmittelskandal, was ihnen für ihr Geld von der Lebensmittelindustrie als Nahrung verkauft wurde.

Zusammen sagen wir daher: So darf es nicht weiter gehen! Für niemanden, nicht hier, nicht weltweit!

Wir sind als ALSO hier, weil wir der festen Überzeugung sind, dass wir erfolgreich für volle Teller mit leckerem und gesunden Essen für alle werden kämpfen können, wenn wir alle, die wir hier versammelt sind, über unseren eigenen Tellerrand hinausschauen und erkennen, was uns miteinander verbindet.

Heute werden wir noch viel zu oft gegeneinander ausgespielt:
– Menschen mit geringem Einkommen gegen Forderungen nach höheren Erzeugerpreisen oder gegen Umwelt- und Tierschutzstandards, die diese Bezeichnung wirklich verdienen,
– Bauern hier z. B. gegen Bauern in Afrika und Südamerika, wenn sie in die industrielle Massenproduktion getrieben werden, weil man sich angeblich der«Globalisierung» und «Eroberung von Märkten» in aller Welt nicht entziehen kann und darf,
– die Molkereibeschäftigten mit ihren Lohnforderungen gegen die Forderungen der Milchbauern nach einem fairen Milchpreis, ....

So lange wir das zulassen, spielen wir der Agroindustrie und ihren Lobbyisten weiter in die Hände.
Die ALSO steht hier zudem für die «soziale Frage». Mal ehrlich: Wer denkt schon oder spricht gar davon, dass die Entscheidung für oder gegen bestimmte Lebensmittel bei vielen Menschen auch vom Geldbeutel abhängt? Fakt ist: Hier werden 40 bis 50 % der Lebensmittel beim Discounter gekauft … tatsächlich geredet wird jedoch über den Zahnarzt, der mit seinem Oberklasse-Mercedes bei ALDI vorfährt!
Und ganz ehrlich: Krankt die bäuerliche Landwirtschaft wirklich daran, dass die Zahnärzte in Sachen Ernährung auf den Hund gekommen wären?
Wer wird ernstlich behaupten, eine faire, regionale, bäuerliche Landwirtschaft könnte allein davon leben, die Zahnärzte dieser Republik zu ernähren?

Und weiter gefragt: treibt die heutige Wirtschafts- und Finanzkrise der Agroindustrie
nicht noch mehr Kunden zu? Was anderes wird die Folge drastischer Einkommenseinbußen und ökonomischer„Effektivitätssteigerungen“ in den meisten Ländern sein?
Millionen werden ihre Ausgaben für"s Alltägliche senken müssen (und was wäre alltäglicher als die Ernährung?) und werden die Nachfrage nach Billigstprodukten explodieren lassen … und die bäuerlich- regionale Landwirtschaft landet endgültig im Museum.

Wir sind als ALSO hier, weil wir der festen Überzeugung sind, dass wir für die Versorgung aller Menschen dieser Welt aus einer fair produzierenden Landwirtschaft streiten müssen …
oder wir werden eine bislang unvorstellbare Barbarei agroindustrieller Produktion erleben.

Dies Desaster verhindern kann nur ein breites Bündnis, von Tier, Umwelt- und Naturschützern, von Bauern und Beschäftigten, Menschen aus Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden, regional, bundes- und weltweit!

Bei allem was uns trennen mag, persönlich, politisch, kulturell, historisch, … wir werden faire Verhältnisse durchsetzen können, wenn wir uns von dem leiten lassen, was uns gemeinsam ist. Für uns gehören untrennbar zusammen:


– ab sofort kein Cent Subventionen für die Agroindustrie,
– faire Löhne und faire Erzeugerpreisen für Bauern
und
– ein fairer Regelsatz für alle Menschen mit geringen Einkommen, um dem Markt der Billigstprodukte das Wasser abzugraben. Erwerbslose fordern als ersten Schritt je Monat mindestens 80 Euro Hartz IV mehr allein schon für die Ernährung.

Wir sagen «Mehr Hartz IV ist gut für alle!» – Diskutiert mit uns, die Debatte ist eröffnet.

Wir sehen hier die Möglichkeit zu einem Bündnis, das übliche Schranken sprengt und damit einen wichtigen Schritt macht hin zu einer Welt ohne Armut und Hunger, ohne Demütigung und Existenzangst, ohne Naturzerstörung und Krieg. Lasst uns auf diesem Weg viele weitere Schritte gemeinsam gehen!

Guido Grüner, ALSO Oldenburg, Redebeitrag für die Abschlusskundgebung
der „Wir haben es satt!“ - Demo in Berlin am 21. Januar 2012.

P.S.
Dank an alle, die den Krach-Schlagen-Block am 21.1. in Berlin unterstützt haben, ob sie nun selbst dort waren, dazu im Vorfeld informiert haben oder ermöglicht haben, dass die Perspektive von Menschen mit geringem Einkommen auf der Abschlusskundgebung zu Wort kam. Diese Rede wurde nicht im Volltext gehalten. Es waren zunächst viel zu viele Redebeiträge für die Abschlusskundgebung vorgesehen, die durch Interviews ersetzt wurden. Dort brachte ich wesentliche Aspekte dieser Rede zur Sprache.