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http://www.bag-plesa.de/rundbrief/2011/rundbrief-extra-2011-51.pdf
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Elektronischer Rundbrief Nr. 51/2011, 22.11.2011
Herausgeber BAG-Prekäre Lebenslagen - www.bag-plesa.de
c/o Michael Wengorz - Str. der Befreiung 14 - 06128 Halle
vorstand (at) bag-plesa.de
Tel.: 0345 / 44 56 150, mobil: 0177 - 38 71 430

V.i.S.d.P.: Michael Wengorz

Der Rundbrief kann abonniert werden unter:
https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/bag-plesa_rundbrief_extra
Herausgeber BAG-Prekäre Lebenslagen - www.bag-plesa.de

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Inhalt:

Vorwort

1. ALSO-Symposium am 3.12.2011 in Oldenburg
2. Unsere Behausung soll vor allem billig sein!
3. Alexander Mitscherlich: Die Unwirtlichkeit unserer Städte (1965)
4. Was macht eine Agenda 2020 aus?
5. Berlin: Propagandazwecke a la Steffel

Vorwort:

Um was geht’s - um mehr als ein Dach über dem Kopf. Um nichts Geringeres, wie und wo wir wohnen werden. Wohnungen, Häuser gehören zur öffentlichen Infrastruktur, wir merken es nur nicht. Weil Wohnungen schon lange zur Ware, zu privatem Eigentum geworden sind. Und damit sind wir auch enteignet den eigenen Vorstellungen, wie, wo und mit wem wir zusammenleben wollen.

Prekäre, die Hartz-IV-Betroffene sind, sollen sich auf eine weitere Instabilität ihrer Existenz vorbereiten. Ein weiterer Schritt zur Verunsicherung von Lebensverhältnissen vieler Menschen ist mit der Änderung des SGB II den Ländern und Kommunen von den Hartz-IV-Parteien eröffnet worden. Verursacht durch eine grandiose Steuerpolitik können verarmte kommunale Haushalte Einsparungen bei den Kosten der Unterkunft umsetzen.

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1. ALSO-Symposium am 3.12.2011 in Oldenburg

Wer kriegt eigentlich die Krise? - Antworten von unten:
Organisierung | Commons | Widerstand

PDF
http://www.also-zentrum.de/media/material/Flyer_ALSO-Symposium%203_12_11.pdf

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2. Unsere Behausung soll vor allem billig sein!

Nach §22 des SGB II werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe der Aufwendungen übernommen, wenn sie angemessen sind. Die Kommunen tragen bisher die Kosten der Unterkunft aller Hartz-IV-Bezieher_innen. Neu ist, dass seit dem 1.4.2011 mit dem §22a SGB II  eine Pauschalisierung von Wohnkosten ermöglicht wird. Eine Pauschalierung der Leistung für Unterkunft und Heizung bedeutet, die jeweilige Kommune entscheidet welche Wohnkosten ihr angemessen erscheinen.
Alle Grundsicherungsbetroffenen erhalten dann die gleiche Summe, unabhängig von der tatsächlich zu zahlenden Miete und den tatsächlich anfallenden Heizkosten.

Damit es zu einer Pauschalisierung kommen kann, muss aber  jedes Bundesland die Kommunen und kreisfreien Städte erst ermächtigen, die Kosten der Unterkunft (KDU) über eine eigene Satzung zu regeln. Allerdings sollen die Kommunen dabei zwei Bedingungen erfüllen:

1. es muss ausreichend freier Wohnraum des einfachen Standards vorhanden sein und
2. es muss die Pauschalierung dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entsprechen.

Die Grundlage für das Konzept der Pauschalierung unterliegt bundesweiten Spielregeln. Die Kosten der Pauschalierung sollen kostenneutral sein oder die Pauschalisierung muss 75% aller Fälle bei der Genehmigung der KDU greifen können. 
Es bleibt auszuloten, mit welchen Begründungen die einzelnen Kommunen die Wohnkosten pauschal begrenzen wollen.

Hessen:
Dort gibt es seit diesem Sommer das hessische Offensivgesetz, welches die kommunalen Satzungen den Kommunen genehmigt.
Zusätzlich hat schon Mitte Dezember 2010 der Landtag in Hessen ein Gesetz zur Einführung einer Schuldenbremse in die Landesverfassung beschlossen; die Aufnahme neuer Schulden ist vom Jahr 2020 an nur noch in extremen Ausnahmefällen möglich.
Arbeitsmappe Pauschalierung der KdU
http://www.die-linke-hessen.de/lv15/images/stories/attachments/article/691/Arbeitsmappe%20Pauschalierung%20Unterkunft.pdf
und der Gesetzestext vom 10.6.2011
http://starweb.hessen.de/cache/GVBL//2011/00012.pdf

Berlin:
In Ausfüllung der mit den §§ 22a-c SGB II und § 35a SGB II normierten Satzungsermächtigung wurde der Berliner Senat im Ausführungsgesetz SGB II mit Gesetz vom 13.07.2011 zunächst ermächtigt, eine entsprechende Rechtsverordnung zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung zu erlassen.
Eine Einigung über den Inhalt einer solchen Rechtsverordnung im Berliner Senat gibt es bisher nicht, so dass die Regelungen der „AV-Wohnen “ weiterhin Bestand haben.
Bemerkung: Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AV-Wohnen)
http://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-sozialrecht/land/av/av_wohnen.html


NRW:
Dort sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die aktuell geltenden landesrechtlichen Vorschriften für die Belegung von gefördertem Wohnraum maßgeblich. Nordrhein-Westfalen sieht darin seit dem 1.1.2010, wie zuvor schon andere Bundesländer, für Alleinstehende eine Wohnfläche von 50 m² vor.  Es besteht trotzdem die Gefahr, dass einzelne Kommunen, die akzeptierten Wohnflächen von 50 m² nach unten drücken. Denn je niedriger die angemessene Wohnfläche angesetzt wird, je höher der Spareffekt.

Menschen, deren Mietkosten unterdeckt bleiben, die zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert werden oder die in naher Zeit ins Hartz IV System rutschen können vor den Landessozialgerichten klagen. Die Klage fordert auf die Verletzung von Rechten, in der bisherigen Wohnung zu bleiben, zu unterbinden. (vgl. info also 572011 S.195 ff. Link weiter unten)


Die Auseinandersetzung um die Höhe der Mietkosten für Hartz-IV-Betroffene trifft auf steuerpolitisch verursachte verarmte kommunale Haushalte. Diese Konstruktion heizt das Interesse der Kommunen an, mit niedrigen Pauschalen ihre Ausgabekosten zu senken.

Somit wird es sehr von eventuellen Verbündeten vor Ort abhängen, wie hoch der pauschale Mietzuschuss sein wird oder ob eine unzulängliche Begrenzung der Miethöhe abgewendet werden kann. Unklar ist bei dann auch pauschalierten Heizkosten, wie mit den Abrechnungen für die Heizkosten am Jahresende umgegangen wird. Wird nachgezahlt oder ein Darlehen vergeben? Der Streit um bezahlbare und akzeptable Wohnungen ist aktuell und bleibt dauerhaft eine individualisierte Problematik, auch wenn wir Menschen beraten oder begleiten, denen die Wohnung weggenommen werden soll. Umzugsaufforderungen sind heutzutage keine Seltenheit. Die existenzielle Bedrohung um Wohnung wiegt schwer.

Den Anteil der Wohnkosten der jetzt schon nicht von den Jobcentern übernommen wird, weil die Wohnung vermeintlich zu groß/zu teuer sei, aus dem Regelsatz zu zahlen ist kein Ausweg. Und dennoch zahlen viele Hartz-IV-Betroffene einen Teil der Miete aus dem Regelsatz.

Dieser erzwungene, aber individuelle Lösungsweg führt in der Regel direkt zur Annahme von Minijobs, in die Leiharbeit oder zu versicherungslosen Beschäftigungsverhältnisse und unterstützt somit eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.

„Diese Entwicklung würde einen neuen Markt für Kleinstwohnungen schaffen, denn der Druck der Sozialbehörden zur Senkung der Unterkunftskosten garantiert Nachfrage. Kleinstwohnungsghettos sind absehbar.

In einigen Teilen der Republik bereits nachzuweisende Prozesse der Verdrängung der Armen in Quartiere minderer oder minderster Wohnqualität und Infrastruktur werden mit diesen Regelungen zusätzliche Wege geebnet. Die ebenfalls enthaltene Regelung, dass für einzelne Stadtbezirke 12 gesonderte Wohnungsgrößen als angemessen gelten dürfen, wird zusätzlicher Motor der Ghettobildung sein.

Die mit den §§ 22a und 22b SGB II beabsichtigten Regelungen sollten fallen gelassen werden. Für die finanziellen Nöte der kommunalen Gebietskörperschaften sind die Bevölkerungsgruppen mit geringen Einkommen nicht verantwortlich zu machen."

(Zitat von Guido Grüner: Bedarfe für Unterkunft und Heizung Seite 11)
http://www.harald-thome.de/media/files/Stellungnahme-Gruener.pdf

info also 572011 S.195 ff
http://www.info-also.nomos.de/fileadmin/infoalso/doc/Aufsatz_infoalso_11_05.pdf

Noch ein Hinweis zum Thema Kosten der Unterkunft:
Gegen Hartz Urteilsammlung 15.11.2011
http://bag-plesa.de/ord/_themen/wohnen/hinweise/2011-11-BSG_Urteile_zu_Unterkunftskosten.html

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3. Alexander Mitscherlich: Die Unwirtlichkeit unserer Städte (1965)


1. In den Wohnanlagen ist jeder vorrangig mit sich selbst beschäftigt und hat seine eigenen Probleme. Am Nachbarn ist man nicht interessiert. Man zäunt sich ein und kapselt sich ab. Nachbarschaftliche Beziehungen, die früher das Stadtleben zu einem großen Teil ausmachten, haben vielfach ausgedient.

2. Auswirkungen des Stadtlebens auf die Psyche der Kinder. Mitscherlich beklagt unter anderem das Fehlen von wohnungsnahen Arbeitsplätzen für Mütter von Kleinkindern. Er sieht auch mit Besorgnis, dass der Bewegungsdrang von Kindern und Heranwachsenden in kleinen Wohnungen dramatisch eingeengt ist. Hinzu kommt, dass die Wohnanlagen durch Verbotsschilder, wie „Betreten des Rasens verboten", ihren spärlichen Raum noch zusätzlich beschneiden. So muss sich das Kind viel zu früh anpassen. Daher würden schon früh „Durchschnitts-Angestellte konditioniert". Sehr schlimm findet der Autor diejenigen Erwachsenen, die sich wegen nicht geglückter zwischenmenschlicher Kontakte in den „Wohn-Fetischismus" flüchten. Wo diese übertriebene Ordnungssucht sich auch in den Wohnanlagen fortsetzt, „braucht man sich nicht zu wundern, wenn sich bei den Heranwachsenden Frust aufstaut, der sich aggressiv in Form von Jugendkriminalität oder im Konsum von Drogen entlädt."

3. Der Städter sähe keine Bindung mehr und würde zum bloßen Bewohner einer wenig rühmenswerten Gegend verkommen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Mitscherlich

Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Thesen zur Stadt der Zukunft; 160 Seiten. 1965, 1967-4,A. ASIN B0000BSOGP (Kritik an der Zerstörung gewachsener Strukturen in der Stadtentwicklung der Nachkriegszeit)
http://www.dieterwunderlich.de/Mitscherlich_unwirtlichkeit.htm

http://www.amazon.de/Die-Unwirtlichkeit-unserer-St%C3%A4dte-Anstiftung/dp/3518101234

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4. Was macht eine Agenda 2020 aus?

In der "Agenda 2020" hat sich die EU festgelegt wie sie Armut beseitigen bzw. verhindern will. Allerdings gibt es keinerlei verbindliche Richtlinien im Bereich Sozialpolitik.

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2010/02/2010-02-04-deutsch-franzoesische-agenda-2020.html

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abschied-vom-sozialstaat-horrorszenario-agenda-1.91469

Die Strategie der Agenda 2020 hat fünf Ziele:

1. Die Beschäftigungsquote soll von derzeit 69 auf 75 Prozent steigen. Besonderer Wert wird auf die Eingliederung von Einwanderern, Frauen, jungen Erwachsenen und älteren Menschen gelegt.

2. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2000, dass drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung fließen sollen, wird erneuert.

3. Teil der Agenda ist auch das 2007 verabschiedete Klimapaket, das vorsieht, die CO2-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent zu senken und den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu erhöhen.

4. Die Quote der Schulabbrecher soll von derzeit 15 auf unter zehn Prozent gedrückt werden, der Akademikeranteil soll auf 40 Prozent steigen.

5. Die Zahl der Menschen, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens ihres Landes zur Verfügung haben und damit nach EU-Definition armutsgefährdet sind, soll um 20 Millionen sinken, in den insgesamt 27 EU-Länder.

Als angemessener Indikatoren zur Messung der Armut gelten:
a) 60% des mittleren Einkommens
b) Materielle Deprivation
c) Langzeitarbeitslosigkeit

Die Bundesregierung will sich auf den Indikator Langzeitarbeitslosigkeit konzentrieren, weshalb bis 2020 660 Tsd. Langzeitarbeitslose nicht mehr erwerbslos sein sollen.

Hinweise zur materiellen Deprivation (Beraubung):
Caritas PDF S. 3 ff
http://www.dicv-limburg.de/aspe_shared/form/download.asp?action=load&nr=300687&form_typ=115&acid=E3AEF3A768DF4E7DBDA25D43BD7392B891D36&ag_id=6319

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development OECD (Hrsg.):
http://www.buecher.de/shop/politik--zeitgeschichte/mehr-ungleichheit-trotz-wachstum-einkommensverteilung-und-armut-in-oecd-laendern-ebook/organ/products_products/detail/prod_id/26195085/
http://www.oecd.org/dataoecd/47/24/41477403.pdf

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5. Berlin: Propagandazwecke a la Steffel

Die Berliner CDU kämpft gegen in materieller Armut lebende Menschen. Der Händler für Wirtschaftsthemen in der CDU, Frank Steffel kündigte für Berlin einen Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik an.

In einem Focus Interview erklärte Steffel: es ist nicht mehr hinzunehmen, dass Berliner es sich auf Kosten der Allgemeinheit ohne Arbeit bequem machten. „Notfalls müssen die Jobcenter mehr Sanktionen verhängen“.

Frank Steffel und seine Kumpanen aus der CDU kündigen damit indirekt an, dass sie die Herren, wir die Mägde und Knechte seien, und der Druck steigt.

2011 ist das Jahr der bisher höchsten Sanktionsrate. Das reicht ihnen nicht, sie wollen noch mehr sanktionieren und sie wollen gemeinsam mit der SPD, mit dem Bundesprogramm „Bürgerarbeit“ noch mehr kommunale Arbeitsplätze durch Billigstarbeit ersetzen.

Der Lohn reicht zum Leben nicht. Die Berliner_innen erwartet mit der Bürgerarbeit miserable Arbeitsbedingungen in den Altersheimen, Friedhöfen, Schulen etc.;
für gleiche Arbeit ungleich bezahlt und behandelt, stehen sie scheinbar gegen die Interessen der dafür noch tariflich bezahlten Angestellten in der Kommune und beim Senat.

Die Berliner CDU kann mit dem Schweigen weiterer gesellschaftlicher Akteure rechnen. Der Abwärtsspirale entgegentretend fordern wir Erwerbslosen eine deutliche Erhöhung der Regelleistung. Auch weil schon weit über eine Millionen Vollzeitbeschäftigte aufstockendes Hartz IV zum Überleben benötigen. Hartz IV bedeutet Unterversorgung und führt zu Mangelerscheinungen  bei Kindern und Erwachsenen

http://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Steffel

Sozis und CDU wollen in Berlin zehn Prozent der ALG-II-Zahlungen einsparen
http://www.s-o-z.de/?p=56516

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